LAND DES SCHWEIGENS

Manche lieben das Land
mit der Macht des Hasses
und hassen sich selbst
ob dieser furchtbaren Liebe.

Die Augen, die weg schauen,
engen sie Dich ein oder
geben sie Dir Raum? Privatraum
für deine fruchtbaren Triebe.

Wenn Selbstgespräche laut werden
hört sie trotzdem keiner.
Wenn Schweigen aber leiser wird
verstehen wir einander.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung 

DER HERBST LÄSST LOS

Ich verzeih Dir
Und gedeih in Dir
Gerade deshalb.

Verzeihung ist Macht
Davon wissen ist Macht
Ebendeshalb.

Macht es Dich leicht
Ist es vielleicht
Der Grund weshalb

Du im Herbst gedeihst.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ABENDS DICHTEN

Schnell wird es hell
in der Nacht
Ich muss die Augen nicht mal schließen
Das mache ich nur am Tag
Die Nacht ist hell genug, Bilder fließen
wie am Band
Die Stille der Nacht ist meine Leinwand
Weiches Papier, so wie ich es mag
Stift im Griff.
Gebannt steht stockstill mein Verstand
beobachtet die Bewegung meiner Hand
Dichten ist schweigend intensiv genießen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MEINE GEDANKEN

Gedanken lesen tut weh
Unwissenheit ist Glückseligkeit
Macht ist eine Idee
Schweigen ist eine Fähigkeit
Kompromiss ist wie Schnee
Weder Wasser noch Dampf noch Eis
Macht ist ein Klischee
Machtlosigkeit ist ihr echter Preis.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SPIELENDE KINDER

Die blauen dünngeschnittenen Windscheiben -
Das Mädchen, wenn ihre Finger ihre Augen reiben,
sieht den Wind vorbeilaufend in allerlei Gestalt.
Nichts ist vielfältiger als die kindliche Einfalt.

Es dreht sich zum Jungen neben ihr, leidenschaftlich
erzählend von blauen Windscheibchen selbstverständlich.
Er korrigiert sie freundlich, Ja sie sind dünn
Aber blau sind sie nicht, sieh doch: sie sind blaugrün!

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

JETZT SCHON WISSEN

Wissen.
Ich werde Dich vermissen.
Bereits wissen. Noch bevor ich Dich finde.
Noch bevor ich mich mit Dir verbinde.

Ich habe dieses Wissen
Aus meinem Gewissen
Herausgerissen.

Nun kann ich es nicht mehr vergessen.
Und suche Dich weiter unterdessen.

Das solltest Du jetzt schon wissen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

GETRENNTE WINTERWEGE

Sie werden jetzt
ihre getrennten Wege gehen
Die, die ihr Blättergewand ausziehen
und die, die unverändert aussehen
Getrennt durch den Winter
wie unzählige geschiedenen Ehen
Bis im Frühling erfüllt wird
das Versprechen des „Auf Wiedersehen“
Geh im Wald spazieren
Bewundere dieses Geschehen
Diese zwei Bäume im Winterrad
Wie Fremde unterschiedlich drehen
Reden nicht mehr miteinander
schweigend, nur noch die Winde wehen…
Dennoch bleiben sie die ganze Zeit
ruhig nebeneinander stehen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

KEINEN DEZEMBER VERSCHWENDEN

Es wird zunehmend sein
Ein karges Dezemberlein
Wenig Geld in der Tasche
Schnee wie Asche zu Asche
Perfekte Bedingungen
Für versteckte Empfindungen
Über defekte Verbindungen.

Wer das ganze Jahr lang
Einem lang ausgezogenen Schwanengesang
Im Herzen tanzte
Sich darin verschanzte
Der sollte den Dezember nicht verschwenden
Darf jetzt im alten Selbst still verenden
Im Neuen aufstehend die Seite bitte wenden.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HERBSTERWEITERUNG

Der Herbst, der
Erinnert mich an mich
Novemberherbst
Novemberernst
Warum das Blatt wenden, wenn
Ich alle Blätter verlieren kann?
Erleichterung

Der Herbst, der
Prophezeit mich zu mir
Dezemberherbst
Dezemberherz
Nur wer alle Blätter verloren hat
Hat das Blatt gewendet.
Erweiterung.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ELOQUENT SCHWEIGEN

Manchmal stehst Du, mein Ich, allein
Wie ein Iroko nicht mal im Wald
Nein in der kalten Wüste
Du kannst niemandem vertrauen und bald
Keinem, den ich eigentlich müßte
Geschweige denn denen, die ich küsste
Niemand mehr schafft’s in mich, in Dich, hinein.

Mein Du, ja mein Ich, wir verstehen Schweigen
Es ist uns eloquenter, schlüssiger als Worte
Ihre Worte sind eine Ablenkung von ihrem Schweigen
Von ihrem tiefsten Tatorte.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung