Auf die Schnelle hole ich mir ein Stück Langsamkeit aus der Mittagspause heraus - Eine Stunde ausgedehnt durch Insichgehen. Ein verinnerlichter Moment in der Ferne ist wie eine Ewigkeit Zuhaus. Aus dem Fenster schauend betrachte ich das Vollenden des Waldes Belaubung in seiner Unaufhaltsamkeit. Lang lebe das Wachsen Lang lebe das Reifen Lang lebe die Langsamkeit. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
des Arbeitslebens
TAG DER ARBEITER EINHEIT
Der Tag ist irgendwie schwer Schon lange marschieren die Arbeiter Sie kommen von überall her Untereinander gespaltene Mitstreiter Jede/r dem anderen Peer weder Leiter noch Begleiter - langsam begreifend immer mehr: Nur durch Einigkeit kommen wir weiter. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ERGÄNZUNG
Wenn es etwas in mir wär,
das latent und schlummernd ist
und mein Verstand es vergisst…
Etwas, was komplett anders ist,
als das, was ich alles sonst bin,
und bestünde fast aus anderem Sinn
Eine verborgene Macht in mir drin
darauf wartend, geweckt zu sein,
flüsternd „Ich bin Dein, Du bist mein
ergänzendes Teil – Wir sind nicht allein.“
Wenn diese in mir wohnende andere Art
Form nehme würde, wäre sie zart,
zärtlich stark, weich, denn ich bin hart.
Es hätte Deine Art, das Gegenteil von mir –
Sähe aus und wäre wie Du ungefähr.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DER UNSICHTBARE MENSCH
Hinter jedem Betrieb
Unsichtbarer Antrieb
Unsichtbar sich zerrieb
Von ihm nichts verblieb…
zum Empfangen der Dankbarkeit…
zum Festhalten seiner harten Arbeit…
außer seiner Unsichtbarkeit.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
NIMM HIN, WAS KOMMT
Eigentlich wollte er Flugzeuge fliegen
stramm verpackt im geflügelten Anzug
gegen die Schwerkraft null wiegen
Doch er sitzt am Main heute
spielt Gitarre, die Leute bleiben stehen
schenken ihm Münzen und Freude
Eigentlich wollte ich in den Wald gehen
ein Baum unter Brüderbäumen
die mir lauschen und mich verstehen
Doch meine Beine lenkten mich zum Fluss
und ich stand mit den anderen Zuhörern
und schwelgte im Genuss.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
TÄGLICH WEITERBAUEN
Du baust und baust
und vertraust, daß andere
Hände weiterbauen werden nach
Deinem Ende, denn fertig wirst Du nicht.
Du baust und baust
und vertraust, obwohl keiner
in Sicht ist, egal wie lang
egal wie weit Du schaust.
Die Kante des Geschehens bricht ab
wie Kekse, verkrümelt jeden Sonnenaufgang
mit unrealistischen Möglichkeiten, zu klein
zum Greifen und ohne Gewicht.
Doch. Du baust und baust, denn
Bauen an sich ist bereits eine fertige Kunst
und Leben ist ewiglich die eine Baukunst
die Deinen Horizont behaust.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
TAG DER UNVEREINTEN
Wer ist der Arbeiter?
Ist er ein Migrant
oder ist er ein Einheimischer?
Denn egal wie arm beide sind,
scheinen sie sich nie zu einigen
gegen ihren gemeinsamen Peiniger –
Der thront über ihnen als Alleiniger
Herrscher über Arbeit und Arbeiter.
Und schmunzelt und schweigt überall
Lang lebe und führe das Kapital.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AUSSERHALB DER BOX
Jeden Tag steigt Houdini
in die Arme des Todes ein
und muß sich befreien, bevor er stirbt.
Eines Tages
drehte er die Reihenfolge um und
starb zuerst
– und wurde befreit.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
STIMMEN AUS SCHWEIGEN
Videokonferenz. Stimmen.
Ich höre mich nicht.
Ich höre nur mein Schweigen, reichhaltig,
genau so laut.
Als die Konferenz plötzlich vorbei ist
und die Stimmen weg sind,
höre ich auf einmal meine Gedanken wieder
und mein Schweigen nicht mehr.
In den Stimmen
höre ich mein Schweigen.
In meinem Schweigen
höre ich die Stimmen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FLUGBEGLEITER
Das Zimmer ist immer kalt
Und ohne Erinnerung
Der Gast ist immer gleich
Und ohne Erinnerung
Die Neustadt ist immer alt
Und ohne Erinnerung
Der Flugbegleiter ist immer reich
An Wiederholung und Erinnerung.
Den selben Gruß dem selben Gast
Wiederholt, freudig, kurz gefasst
Ist alles, was Du täglich hast.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung