Wer Zugang zu Deiner Seele hat, oder in Dein Herz oder zum Verwundbaren in Dir, der ist Dein Freund. Alles andere ist bloß eine Bekanntschaft, egal wie eng sie ist, auch in einer Ehe oder bei einer Blutsverwandtschaft, so sonderbar das klingen mag. Es kann also ernsthaftere und weniger ernsthaftere Bekanntschaften geben. Die Ernsthaftigkeit oder Nähe einer Bekanntschaft macht sie noch lange nicht zur Freundschaft. Freundschaft ist eine gewisse Art und Tiefe von gegenseitigem Zugang zum Wesen voneinander.
Deshalb verstehen Freunde sich beinahe ohne Worte manchmal. Da spricht die innere Stimme. Ein Freund hört das un- und halb gesagte.
Der Entstehung jeder wahren Freundschaft geht ein Moment des gegenseitigen sich Öffnens voraus. Nicht selten ist das sogar ein Streit, entweder am Anfang oder zu einem entscheidenden funkenden Wendepunkt. Nicht immer ist es jedoch ein Streit, natürlich, aber immer gab es einen Augenblick, in dem Beide sich gegenseitig in ihren wahren Naturen offenbarten, sich gegenseitig erkannten, anerkannten … und akzeptierten so wie sie sind. Auf jeden Fall gehört zu einer guten Freundschaft die Fähigkeit, miteinander zu streiten.
Ein Freund sieht nicht nur, wo Du gerade bist. Er versteht auch, wo Du warst, und er weiß, wo Du hin willst, und hin kannst, und hin sollst. Ein Freund ist derjenige, der Dir diese Wahrheit sagt. Aber hier ist das Entscheidende: Er sagt Dir die Wahrheit nicht auf eine zerstörerische oder vernichtende, sondern auf eine aufbauende Art und Weise. Ein Freund ist also der, der die potenzialerweckende, kraftbefreiende, motivierende Wahrheit in Dir zum Leben und Bewusstsein kommen lässt.
Aber was hat die Kultur der Sozialen Medien aus diesem Begriff „Freundschaft“ / „Freundin“ / „Freund“ gemacht! Regelrecht entwertet und degradiert! Verbindungen, die nicht mal die Bezeichnung „Bekanntschaft“ verdienen, laufen jetzt sinnverwirrend und laut unter dem falsch angewandten Namen „Freundschaft“. Wie viele Freunde haben wir nicht alle mittlerweile auf Facebook? Besser wäre es, für Sprache und Sinnbewusstsein, wenn ein anderer Wort für diese substanzfernen Verbindungen erfunden wäre, eins, das dem Begriff der Illusion ehrlicher entspricht. Hier geht es allerdings lediglich um den Missbrauch des hohen Begriffs „Freundschaft“ und nicht darum, daß wertvolle Bekanntschaften auch übers Internet wie überall zur Stande kommen können. Aber das ist eine andere Sache.
Denn weniger ist mehr. In der Wirklichkeit sind meine Freunde wenig, wirklich überschaubar wenig. Denn sie sind wahre Freunde. Fürwahr, sie wahre Freunde zu nennen ist recht gesehen eine Beleidigung, oder zumindest eine Tautologie, denn Freundschaft an sich ist bereits wahr. Wenn sie nicht wahr ist, dann ist sie sowieso auch keine Freundschaft, verdiente daher von vornherein die Bezeichnung Freundschaft gar nicht.
Und weil die Freundschaft eben bereits wahr ist, und innig, und ein ständiges Berühren des Empfindlichsten, ist sie auch selten und rar. Als würden die Begriffe Freundschaft und Masse sich gegenseitig ausschließen, ist es fast unmöglich viele Freunde zu haben, also „echte“ Freunde; dafür aber unzählige ernsthafte Bekanntschaften, wenn Dir danach ist. Bei manchen Menschen sogar fast ausschließlich nur.
Was bedeutet mir die Freundschaft? Sie ist etwas Tragendes, Stärkendes, Aufbauendes, Spiegelndes. Sie ist das Ergänzende im persönlichen Sein und Streben eines Menschen. Alle Einsamkeit der Welt ist ertragbar, wenn Du einen Freund hast, mit dem Du es teilen oder dem Du es einfach nur mitteilen kannst.
Che Chidi Chukwumerije
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