INNIGER GEWESEN

Heute Nacht warst Du in meinem Traum.
Ich habe Dich in einem Haus besucht. Das Hause schimmerte in einer kühlen dunkelgoldenen Farbe, irgendwo zwischen gelb und hellbraun.
Wir waren im ersten Stock in einem großen Zimmer, das sehr ruhig war, geschützt, und vertraut wirkte.
Wir waren ganz allein im ganzen Haus.

Wir haben lang gesprochen, ich weiß nicht genau was. Aber irgendwas in meiner Arbeit beschäftigte mich und Du hast mir geholfen, Ruhe zu finden. Irgendwas beschäftigte Dich auch, jedoch wolltest Du zuerst nicht sagen, was es war. Irgendwann habe ich erraten, daß es mit den 2 Kindern zu tun hatte, und Du meintest Ja und ich habe Dir geholfen, Ruhe zu finden. Aber nur zum Teil.
Es waren zwei verschiedenen Dinge, die uns beschäftigten, nur weiß ich wirklich leider nicht mehr die Details, nur die thematischen Umrissen. Ich sehe uns wie durch ein Glas, miteinander redend. Das Gespräch tat aber sehr gut.

Als wir mit der Konversation fertig waren, nahte der Zeitpunkt, an dem ich wieder gehen musste.
Ich stand auf, Du saßt noch auf dem Bett, mit Deinem Rücken gegen das Kopfteil gestutzt und Deine Beine ausgestreckt. Ich setzte mich rittlings auf Dich, berührte Deine Brüste, dann umarmten wir uns. Dein Wesen erfüllte mich. Ich nahm Dein Gesicht in meine Hände und küsste Dich. Auf Deinem Antlitz lag, wie eine alte Narbe, ein Fragezeichen. Dieser Moment war innig. Dann habe ich Dich genommen und Du bist gekommen. Aber der Blick danach, der ist noch inniger gewesen.

Das Zimmer schimmerte golden und warm, die Nacht witterte den Morgen, wir waren zu zweit und ganz allein.
Doch die ganze Zeit erblickte ich aus dem Augenwinkel die offene Tür, hinter uns an der rechten Seite, durch die ich wieder aus unserem Traum hinaus schreiten würde.

Che Chidi Chukwumerije

JENSEITS IST DIESSEITS

Ich träumte, ich drehte mich um und sah Dich um mich trauernd, mich vermissend. So fiel es mir ein, oder auf, daß ich Dir wohl irdisch verstorben war und längst beerdigt. Ich mußte es zwischenzeitlich vergessen haben, den Tod und die Beisetzung, denke ich, denn alles, was ich weiß, ist, daß ich hinüber und weiter gegangen bin. Ich, unverändert, und immer noch am Leben. Und lebend sein fühlte sich, wie auf der Erde, so normal an.

Du warst dennoch so weit weg. Doch sah ich Deine Trauer wie eine Kerze im Nachbarhaus auf der anderen Straßenseite unter der Brücke. Und Du warst selbst die stete brennende Kerze. Oh, wie ich Dich trösten wollte… Aber Du hörtest und sahst mich nicht wie früher. Das war‘s, was weh tat.

So entschloss ich mich, Dir ein letztes Gedicht zu schreiben, denn Du warst immer die erste, die meine Gedichte lass, und hast sie immer tief empfunden. Sicherlich würdest Du diese auch empfangen und empfinden, wenn ich sie Dir aus dem Dir Jenseits mir Diesseits sende … oder leise vorlese…, dachte ich, hoffte ich. . Es war mir selbstverständlich aber wissen wusste ich es ehrlich gesagt nicht. Mehr konnte ich aber nicht mehr tun.

Also fing ich an, dieses Gedicht zu schreiben:

Auch wenn Du denkst, ich bin gestorben,
bin ich Dir viel näher, als Du denkst…
Gleichzeitig näher und weiter als Deine Gedanken,
ganz egal, wie wo Du sie hin lenkst…

Ich will aber, daß Du Dich umdrehst
und Dich Deinem Erdenleben voll widmest;
Dein Weg empor in unser Ziel liegt wie Stufen
in jedem Moment, in dem Du irdisch noch atmest.

Und dann wachte ich aus dem Schlaf auf und siehe da, es war ein Traum. Und das Leben fühlt sich, wie immer, normal an, egal in welcher Zeit und in welchem Raum.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung