Der geladene Himmel, schwül und hitzig, er hat es eilig heute Morgen - Wer kennt denn das nicht? Laut grunzend und stöhnend stürzt er sich auf die Erde, nimmt sie schnell und stürmisch in Besitz. Morgens ist sie ehe schon feucht. Das macht die Nacht mit ihr - Sie ist bereit für des Himmels volles Gewicht. Er leert sich in einem kurzen heftigen Guss - Wetterpoetisch nennen wir das einen regnerischen Morgen mit Donner und Blitz. Jetzt fallen nur noch die letzten Tropfen, die Hitze weicht einer weichen Brise, während die Vogelwelt ins Singen ausbricht. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ES GIBT KEINE NEUEN MENSCHEN
Es gibt keine neuen Menschen Es gibt nur die alten Seit langem traf ich keine neue Frau keinen neuen Mann mehr und fand nie wieder einen neuen Freund. Es waren nur und immer die selben alten die ich seit Jahren kenne, in anderen Körpern, Gesichtern, Namen. Es gibt keinen neuen mich; such nicht nach ihm, nicht in mir - finden wirst Du jedes Mal am Ende nur den selben alten. Es gibt keine neuen Jahreszeiten. Zeit und Veränderung in Dauerschleife zaubern immer wieder auf die Oberfläche neu das alte, manchmal uralte, Ich hervor. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE KUNST DER WANDLUNG
Kann ein Künstler Politiker sein? Kann ein Regenbogen aus nur einer Farbe sein? Aus dem Perspektiv der Zukunft gesehen, welche der Beiden hat sie hervorgebracht? Liegt in Politik oder Kunst die (Um)Gestaltungsmacht? Was hat den Menschen je wirklich verwandelt? In der Art, wie er empfindet, wie er handelt. Staatsformen oder die schöpferische Kunst? Das Herz, das Herz, wer kann es erreichen? Nur der kann es lenken, stärken, aufweichen. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AUSEINANDER
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, denn ich bin bereits unterwegs; Ein Pendel zwischen Dur und Moll, jenseits fast jedes Landungsstegs Von den Fremden trennt mich mein Äußeres: Vier Merkmale wie vier Fahnen an vier Ecken. Von den Meinen trennt mich mein Inneres - nicht mal mein Schweigen kann es verstecken. Unsere Art und Weise des Miteinanders ist ein Füreinander gegen einander. Frieden ist ein Verschieben des Kriegs auf Wannanders; Unsere Expansion ineinander pendelt auseinander. Und ich frage mich, wie lange noch die Gedichte in Hoffnung sich wenden werden; Wie tief hinein geht es ins Loch, bis die Strophen für immer enden werden. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
IM VERTRAUEN
Es ist erstaunlich wie viele Seiten, Innenseiten, wie viele Schichten, geschweige denn Geschichten, verschwiegene Geschichten, wie viele andere Menschen ein einziger Mensch unter seiner Oberfläche Dir heimlich und eifrig zeigen wird, nur weil Du seine innerste innigste Wunde linder behandeltest und zart bandagiertest ohne ihn zu brechen. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
UNTERBELICHTUNG
Überbelichtung. Die ganze Welt wohnt im Netz Minus die ganze Welt Ich suche nach dem passenden Filter um die Mitmenschen auf der Straße klarer zu sehen. Verdunkelt. Erhellt. Doch sie sind zu wie Bücher Und zugänglich wie Bücher Anders ehrlich, anders verstellt. Wer ist der echte Mensch? Analog Oder digital? - Es kommt darauf an Welche Maske, Dir besser gefällt. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHNELL VERSCHWINDENDER FRIEDEN
Drohungen machen die Musik in letzter Zeit Der Ton ist nebensächlich - Ein Wort und alle wissen Bescheid, was gemeint ist. Alle fühlen sich bedroht durch die freien Entscheidungen anderer - Fratzen sind Lächeln plötzlich verroht. Frieden ist eine Maske, ein Wanderer, ein Verführer, eine List. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
POLARISIERT
Polarisiert - Wo stehen wir als deutsches Land in dieser undeutlichen Welt? Was hätten wir lieber in der Hand? Massenwohlstand oder Elitegeld? Ein Schatten schleicht sich leise um die Häuser der Massen herum - Die Armut umschlingt die äußeren Kreise und meidet zynisch das Zentrum. Menschlichkeit ringt mit Patriotismus - ziehen wir doch alle an einem Strang. Auch wenn dabei der Geldfluss sich richtet nach Klang und Rang. Das Herz der Massen war immer tief, immer treu und immer gespalten. Versucht, gerade zu stehen, doch die Lage ist schief. Was tun? Aushalten? Ausrasten? Verwalten? - Polarisiert. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
BAUCHGEFÜHLE
Irgendwas wächst in meinem Bauch Da ich weder schwanger bin noch mich krank fühl Bleibt nur die eine Schlussfolgerung: Es wächst in mir ein Bauchgefühl. Eine gewisse Ungewissheit - Oder eine ungewisse Gewissheit? Denn das etwas ist, das weiß ich gewiss, Nur ist das genaue Wissen etwas ungewiss. Dieses Warten auf Bestätigung Und, manchmal, Hoffen auf Widerlegung… Schweigen war immer mein bester Freund Und riet stets leise zur Vorbereitung. Auf Veränderung, denn Menschen ändern sich; Auf Wiederholung, denn Menschen bleiben gleich; Weißt Du noch, als ich Dein Bauchgefühl war: Und eroberte tatsächlich wie befürchtet Dein Reich. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MITTAGSPAUSE
Auf die Schnelle hole ich mir ein Stück Langsamkeit aus der Mittagspause heraus - Eine Stunde ausgedehnt durch Insichgehen. Ein verinnerlichter Moment in der Ferne ist wie eine Ewigkeit Zuhaus. Aus dem Fenster schauend betrachte ich das Vollenden des Waldes Belaubung in seiner Unaufhaltsamkeit. Lang lebe das Wachsen Lang lebe das Reifen Lang lebe die Langsamkeit. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung