EINFACH WARTEN

Ich habe gelernt
zu warten
Ich habe gelernt
Das Herz ist ein Garten

Alles hat die Zeit betreut
Alles, was einen Mensch bewegt
hat die Zeit empfangen und gepflegt
auch das, was er später bereut

Manches hat sie wachsen gelassen,
dies habe ich gelernt -
beim Hoffen, Fürchten, Lieben, Hassen -
aber manches hat sie entfernt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

DAS TIEFERE

Die Stufen
die nach unten führen
führen auch nach Oben

Emotionen sind genau
so wild wenn sie still sind
wie wenn sie toben

Nicht sehr unterschiedlich
sind die die Dich kritisieren
von denen die Dich loben

Ich will keine Heiterkeit
Ich will keine Höflichkeit
Ich will einfach nur Ehrlichkeit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

LEBEN TUT WEH

Leben tut weh
Denn leben ist sich sehnen
Und Sehnsucht ist eine unruhige See
Ständig am sich Ausdehnen
Ankommen und Ade.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

LIEBE MACHT DICHTER

Alkohol macht dicht
Liebe macht Dichter
Dichtung bringt Licht
heller als irdische Lichter.
Ist Dein Innenleben ein Gericht,
teils komplex, teils schlicht?
Dichten ist Schlichter.
Lies einfach ein Gedicht,
der geheime Licht-Trichter.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

LIEBE DICHTET

Mein Herz hört nicht auf zu bluten -
und das fühlt sich so schön an -
und meinen Kopf mit Gedanken zu fluten;
oh Liebe, was o was hab ich Dir angetan?
Du suchst mich wuchtig und gewaltig heim,
zerreißt und zerfleischst mein Herz leise…
erstickst jede versuchte Flucht im Keim,
behältst mich als Dichter auf dieser Weise.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

MITTEN IM GESPRÄCH

Irgendwann schweigen wir
und durch unser Schweigen zeigen wir
das Vorhandensein von Welten tief in uns
jenseits der gekonntesten Redekunst.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

ZUG NACH VORN

Grauer Morgen
Trauer, Sorgen,
ziehen ihre Flusswege
schwermütig und träge
Die Brücke ist aber breiter
Das Herz fährt weiter
hoffnungsvoll und heiter.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

SCHMERZ UND VERZEIHUNG

Verzeihung -
Ich bitte nicht um sie
Ich biete sie Dir an
Verzeihung. Rache nie.
Auch wenn es weh tut
Vor allem wenn es weh tut
Denn wenn es nicht weh tut
Braucht es keine Verzeihung
Ist es keine Verzeihung
Fühlt es sich leer an.
Verzeihung
Weil es weh tut
Verzeihung.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

WENN DU DEN WEG NICHT SIEHST

Wenn Du den Weg nicht siehst,
nicht kennst, nicht spürst,
bleib stehen und lebe, erlebe, den Ort.

Dein Geist ist tiefer als Dein Verstand,
schöpfe, schöpfe, schöpfe,
zieh kräftig aus Deinem innersten Hort.

Gib nie auf. Die Nacht ist endlich.
Der See hat einen Boden.
Das Licht hat das erste und das letzte Wort.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

NACHTSEHNEN

Ab und zu fährt ein Auto vorbei
Ein Rauschen außerhalb des Fensters
Eins, Schweigen, zwei, Schweigen, drei…
Unterbrechungen der Nacht Flüsterregisters.

Zwischen den Autos ist es ganz still
Ich höre selbst das Schweigen schreien
Und zwischendurch ist alles, was ich will,
mein gefesseltes Herz endlich befreien.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung