Wenn die Beseitigung von Armut den Reichen obliegt, besteht darin ein Interessenkonflikt? Wenn Du reicher bist als niemand, bist Du überhaupt noch reich? Seid Ihr alle gleich reich? Vielleicht seid Ihr auch gleich arm. Wer weiß? Reichtum. Manche wollen mehr als andere haben Manche wollen einfach nur genug haben Manche wollen geben um glücklich zu sein Und empfangen um leben zu können - Aber keiner will in Armut leben Und keiner will unwürdig sterben. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Armut
EIN MONATSGEHALT
Sie stand vor dem Laden
Die Distanz zwischen ihm und ihr
war genau ein Monatsgehalt
Nachdenklich lief sie weiter
Ein Paar Straßen später machte sie
vor einem anderen Gebäude halt.
Sie stand vor der Tafel
Die Distanz zwischen ihr und ihr
war genau ein Monatsgehalt.
Wenn Du schonmal oben warst
und schonmal unten warst
findest Du nur im Inneren Deinen Halt.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SOLIDARITÄT MIT ALLEN SCHWÄCHEREN
Wir sollen nun kalt duschen –
Das ist bereits eine kalte Dusche,
denn nicht alle werden kalt duschen.
Im Osten führen die Russen
Krieg gegen die Ukrainer.
Aus Solidarität führen im Westen
die Reichen Krieg gegen die Armen.
Hauptsache am Ende des Krieges
sind die Mächtigen mächtiger,
die Schwachen schwächer, die Reichen
reicher und die Armen ärmer. Überall.
Wir sollen nun kalt duschen –
Das ist bereits eine kalte Dusche,
denn nicht alle werden kalt duschen.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MACHT ARMUT UNSICHTBAR?
Es ist erstaunlich
wie viele Menschen
täglich an Armut vorbei gehen
ohne sie zu sehen –
Wie schafft die Armut das nur?
Mitten im reichen Land zu leben
unsichtbar in der Luft schweben
Immer größer werdend und kleiner,
verharmlost, täglich allgemeiner
Jedermann, Jedefrau, niemand.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ÄRMER TROTZ ETKENNTNISSEN
Viele Menschen werden ärmer werden,
reicher nur an Erkenntnissen.
Manche Länder werden reicher werden,
ärmer jedoch in ihrem Gewissen.
Wie könnte die Zukunft derart werden,
nach all den Menschheitserlebnissen,
daß wir wieder langsam gefangen werden
in den heutigen Geschehnissen?
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GLEICHNIS
Mehr Menschen werden arm werden Weniger werden reich Die Armut breitet sich aus auf Erden Und macht am Ende alle gleich. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
RANDNOTIZ
Immer mehr Menschen sitzen nachdenklich am Straßenrand, denken über den Weg nach, der für sie endete hier am Straßenrand Wie wann wo lief es schief mit dem Geldsystem in unserem Sozialland? Das Geld verdampft wie Wasser nach Oben, hinterlässt, unten, ausgetrocknet, das Land. Und wieder überall Dichter und Denker, die versuchen vergebens mit ihrem Verstand zu verstehen, warum die Armut steigt unter Menschen, die arbeiten mit Herz und Hand. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
POLARISIERT
Polarisiert - Wo stehen wir als deutsches Land in dieser undeutlichen Welt? Was hätten wir lieber in der Hand? Massenwohlstand oder Elitegeld? Ein Schatten schleicht sich leise um die Häuser der Massen herum - Die Armut umschlingt die äußeren Kreise und meidet zynisch das Zentrum. Menschlichkeit ringt mit Patriotismus - ziehen wir doch alle an einem Strang. Auch wenn dabei der Geldfluss sich richtet nach Klang und Rang. Das Herz der Massen war immer tief, immer treu und immer gespalten. Versucht, gerade zu stehen, doch die Lage ist schief. Was tun? Aushalten? Ausrasten? Verwalten? - Polarisiert. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DEINE LEBENSZEIT
Das Erdenleben, egal wie lang, ist immer kurz. Wohl dem, der es zum Leben benutzt. Du nennst einen Kriminell doch sein Herz ist auf dem rechten Fleck - Eine Prostituierte ist voller Güte doch Du bezeichnest sie als Dreck. Ein Drogenabhängiger sucht etwas - Hast Du Dich schonmal gefragt, was? Ein psychisch Verstörter fand etwas, unklar, verstörend, durch Nebel und Glas. Armut ist keine Charaktereigenschaft, Du kannst dennoch wie ein Stern leuchten. Flüchtlinge brauchen in unserem Land, was wir in ihrem Land bräuchten. Was empfindet der Obdachlose am ersten Tag seiner Obdachlosigkeit? Nicht viel trennt Menschen voneinander, mittels der Mittellosigkeit. Einsamkeit, Lügen und Gewalt oder Mitgefühl, Mut und Freiheit - Alle weinen im Geheimen. Leb auf, Kind: Deine Lebenszeit, das ist Deine Zeit. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHICHTDIENST
Armut in der Mittelschicht
Das Schmiermittel wird dünn
Wechselt die Farbe von rot zu grün
Das oben und unten reibungslos schlichtet
Unbezahlte Rechnung der Mittelschicht
Von unten wird nach oben gegengedrückt
Arm werden macht in der Tat verrückt
Und dann wird alles Reiche vernichtet.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung