Ab und zu fährt ein Auto vorbei Ein Rauschen außerhalb des Fensters Eins, Schweigen, zwei, Schweigen, drei… Unterbrechungen der Nacht Flüsterregisters. Zwischen den Autos ist es ganz still Ich höre selbst das Schweigen schreien Und zwischendurch ist alles, was ich will, mein gefesseltes Herz endlich befreien. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
BEFREIUNG
LAUNENHAFTIGKEIT
So, wie er die untergehende Sonne beobachtet,… die sich zurückziehenden Gezeiten betrachtet,… so, wie er die Vögel nach Süden fliegen sieht,… alles wahrnimmt, was um ihn herum geschieht, so schaut er manchmal machtlos zu, wie seine Laune sich verschlechtert im Nu, und vertreibt die Freude und verdirbt die Ruh. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
VERTRAUT KRAFT ENTTÄUSCHUNG
Zusammen bringen sie Illusionen
und wenn sie die Wahrheit finden,
sind es jetzt geteilte Enttäuschungen,
die sie noch inniger verbinden.
Der Schmerz soll in ihnen brennen,
ihnen die Wahrheit über sich verleihen;
Sie sollen die Wahrheit kennen
und die Wahrheit wird sie befreien.
Nichts ist schöner als frei zu sein
und in Freiheit die Freiheit zu teilen;
Zu sagen Du bist nicht mein und ich nicht Dein
aber wir wollen für immer miteinander weilen.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FREI WERDEN
Täglich begoß er sie
Mit seiner Sehnsucht nach Befreiung
Pflegte sie und hegte und schnitt
Und blieb zart mit ihr, denn sie
War eine Blume. Und blieb distanziert
Leicht von ihr, denn sie war seine
Vergangenheit. Und
Sie schluckte frustriert seinen Erguss runter
Denn nicht zart begoßen sein wollte sie
Sondern genähert und zermalmt
Bis sie verschwände. Und so verschwand
Sie nach und nach, wachsend an seinem
Erguß und vergaß seinen Würgekuss
Und wurde groß und stark. Und
Als sie reif genug geworden war
Pflanzte er sie still ins Freie um
Und machte endlich Schluß.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
IMPERIUM
Raum zum Nehmen
Grenzen des grenzenlosen Nehmens
Ohne sich zu schämen
Nur der Eroberte
Nur der Gebrochene
Nur der Gedemütigte
Schämt sich
Schämt sich auch noch
Und schämt sich auch dafür
Heimatlos zu Hause
Heimatlos in der Heimatlosigkeit
Eines Anderen Imperium
Da, wo es keine Gnade gibt
Nur Nachdenken: Warum
Bin ich hier?
Nimmst Du mir meinen Freien Willen
Nimmst Du mir mein Leben.
Reichtum und Macht sind ein Imperium
Und wir sind der Widerstand.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der Deutschen Dichtung
WAHR SEIN
Die Welt zieht und zieht
Wie lange noch kann ich ihr widerstehen?
Die Echtheit, die ich gerne mied
Tue ich immerwiederkehrend immerwiedersehen
In allem, was in und mit mir geschieht.
Verlangen, wie lange noch
Werde ich mich zurückhalten und nachdenken?
Die Welt öffnete sich und ich roch
Die Vorfreude, denn die Freude selbst will nachschenken
Und ich will es trinken doch!
Menschen menscheln, mehr können wir nicht
Wer nie gemenschelt hat, merke Dir sein Gesicht
Wenn es Deinem ähnelt, hast Du Dein Gericht:
Mensch, Du schläfst oder Du lügst noch.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
BEFREIUNGSSCHLÄGE
Wieder so eine Stunde
In der es gilt, alles zu verlieren
Um frei zu sein, darf nicht zurück schlagen.
Alles verzeihen, allen verzeihen
Jeden Schmerz als Befreiungsschlag hinnehmen –
Wenn Ihr nur mein Schweigen
Richtig deuten würdet.
Wieder so eine Stunde
In der jeder Schmerz mich an den Augenblick
Erinnert, als ich ihn einem anderen einst
Zufügte. Und du, mein Peiniger, hast keine
Ahnung, was du dir gerade angetan hast.
Einst wirst auch du um Verzeihung bitten
Und dir selber aber nicht verzeihen können.
Das wird die Stunde deines Schweigens sein.
– Che Chidi Chukwumerije.
