Das Gesehene Kann nicht ungesehen werden Gehörtes kann nicht Ungehört werden Wissen ändert das Bewusstsein Unveränderlich. Ich möchte so tun Als wisse ich nicht, wie Ihr über mich denkt - Schwer aber, wenn Wissen Das Bewusstsein lenkt. Das Bewusstsein mit Bewusstsein beschenkt Und damit einschränkt. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Bewusstsein
GRENZÜBERFAHRT
Sie führte Selbstgespräche in der Sbahn, dachte ich mir zuerst Merkte dann, nein, sie redet mit der Sbahn selbst und meint es ernst Mit den Fenstern, mit dem Sitzpolster, mit unsichtbaren Gästen die im Gang stehen Dann spürte sie meine Augen, wurde still und schaute weg beim Vorbeigehen. Ich wollte mich nicht umdrehen falls sie sich umdreht, um sie nicht zu kränken Aber ich schaffte es nicht mehr, mein Sinnen auf andere Gedanken zu lenken. Wann verschiebt, wo befindet, sich die Grenze einer Realität? Ist es Schmerz, Erinnerung oder Veranlagung Neugier, Trauma oder Genialität? Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE VERLORENEN JAHRE
Wo war ich die ganzen Jahre? Ich frage mich jetzt noch. Perplex. Die meisten Menschen, die wir täglich sehen, sind tatsächlich verschwunden. Hex hex! Du denkst, daß Du lebst, weil Du da bist; und da bist, weil Du lebst. Doch vermisst Du Dich selbst spürbar. Dein Bewusstsein ist kein bewusst sein mehr, nur ein Reflex. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE NACHBEWUNDERUNG
Ich wachte früh auf
Es war noch nicht die dritte Uhr
Und ich wartete auf den Moment
des Anbruchs der Morgendämmerung
um ihn heute zu fangen…
Ich blieb lange wach – und war wach
und beobachtete aufmerksam
mit Augen und Ohren und Nase
mit Haut und allem, was dahinter wohnt
– und bemerkte ihn nicht anfangen…
Nach einer Weile fiel mir auf
daß es schon seit einer Weile heller geworden war
und daß ich schon seit einer Weile
das leise Zwitschern ferner Vögel
unbewußt hab empfangen…
Der Tag, wie der erste Tag, kam zuerst
und erst danach mein Bewusstsein von ihm
Wie das Wunder vor seiner Bewunderung
kam zuerst das ewig sich wiederholende Ist
und ich bin ewig in dem Danach gefangen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
INNENWELTEN
Eine Blume ohne Garten
Kann nur im Herzen als Spiegelbild blühen
Mancher Arten Gleicharten
Suchen vergebens, die auf Erden wühlen
Etwas in Dir wider Erwarten
Ist Deiner Nation und Deiner Rasse und Deinen Schulen
Und Deiner Religion und Allem fremd.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
