Du wandelst jenseits der Poesie Und bist tiefer, noch tiefer als sie Unbeeindruckt durch Philosophie Das Dichten macht mich innerlich zart Ich dachte, ich bräuchte die Gleichart Doch nein, ich brauche Deine Gegen-Wart Einfache Dinge, Dich, die zwei Kinder Die tägliche Routine, Ruhe, nichts minder Wenn Liebe blind macht, bin ich blinder Du bleibst die Eine, die ich wirklich mag Wirklich liebe, stehender Hochzeitsantrag In Deiner Nähe finde ich meinen All-Tag. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
BEZIEHUNG
BE-SUCHT UNS IN DER ZUKUNFT
Wie viele Häute wie eine Schlange hat unsere Liebe schon abgeworfen? Die einen suchen uns in der Vergangenheit, im Gestern, dort finden sie unzählige, tote, Muster. Die anderen untersuchen die Gegenwart, das Heute, sehen eine immer-wiedergeborene lebendige und wendige Schlange. Aber wir, wir leben nach wie vor in der Zukunft. Im Morgen solltet Ihr versuchen, das Rätsel zu lösen. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FREIER GEIST
Kein Mensch kann
einem Menschen gehören
Aber wir wollten uns gegenseitig angehören
Und logen einander an
jede Nacht flüsternd
Ich gehöre Dir,
Ich gehöre Dir,
Ich gehöre Dir.
Doch meine innere Stimme
schaute mich jedes Mal danach an
und sagte:
Das ist nicht fair.
Sag ihr doch die Wahrheit:
Du gehörst nur mir,
dem Feuer tief in Dir selbst.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
REIFE UND VERÄNDERUNG
Ich frage mich, ob
sie noch zusammen sind
Die Fotos sind von vor zehn Jahren
von vor fünfzehn Jahren
Facebook hat sie alle aufbewahrt
sie waren jung und glücklich
verliebt
ihre strahlenden Augen sangen von Ewigkeit
Mit Veränderung sich verändern
Reifer werden
Ich frage mich, ob sie noch
zusammen sind –
Das ist das aller schwierigste:
zusammen bleiben.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FLÜCHTIGE GEFÜHLE
FLÜCHTIGE GEFÜHLE
Sie erdet mich
als wäre sie Wurzeln
Entwurzelt mich
als wäre sie ein Sturm
Stürmt mich an,
als wäre sie die Flucht
Flüchtet von mir,
als wäre sie Angst
Beängstigt mich,
als wäre sie nichts
Und ist nicht in der Lage,
mehr als eine vage Ahnung
von dem zu haben, was ich sage.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ANGST VOR EINSAMKEIT
Seine Schuhe
Seine Hemden
Seine Heiterkeit
Seine Gegenwart in Deiner Einsamkeit
Alles bezahlst Du
mit der Währung und Bewährung
Deiner Angst vor Alleinsein
Du möchtest einfach dabei sein
Und zuhören, wenn er lacht
Auch wenn er nicht mit Dir lacht
Und seine Arme um Dich fühlen
Auch wenn sein Herz nicht dabei ist.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
RAUM ZUM EMPFINDEN
Distanz ist die Illusion von Distanz
Nähe ist die Illusion von Nähe
Jede Beziehung ist subtil wie ein Tanz
Freundschaft. Blutsverwandtschaft. Ehe.
Mensch, Volk oder Staat als letzte Instanz.
Was ich sehe, ist nicht, was ich sähe.
Irgendwie reimt es anscheinend nie ganz;
Irgendwo doch, wenn tanzend ich mich umdrehe –
Dort, an der Grenze der Toleranz.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
STATIONEN DER SELBSTFINDUNG
Wann ist eine Beziehung zu Ende?
Am Anfang, als wir zusammen kamen
Ohne zu verstehen, daß wir uns nicht verstehen?
In der Mitte, als wir weitermachten
In der Annahme, auf dem richtigen Weg zu sein?
Am Ende, als wir uns trennten
Weil wir beide schließlich die Wahrheit erkannten?
Oder Jahre später, als wir endlich
Echte Freunde wurden?
Wann ist eine Liebesbeziehung zu Ende?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHÄLEN
Im siebten Jahr ihrer Beziehung
War es plötzlich Herbst
Die Gedanken änderten ihre Farben
Die Empfindungen wurden tief, herb, ernst
Die Gefühle, sie fielen langsam zu Boden
Wie die müden Blätter zerlesener Oden.
Abgegriffen der einstige Glücksgriff
Ein Ozean ist zu groß für ein Schiff
Nein, ein Ozean ist nicht groß genug
Für die pochende Sehnsucht…
November nahte sich, sie wurden nackt
Suchten zum ersten Mal zueinander Kontakt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GEDÄCHTNISSCHWUND
Er beobachtete sie
wie sie wie ein müder Ballon
langsam sank
und aus seinem Gedächtnis verschwand
Er war glücklich
daß er sie vergaß
Er war traurig
daß er sie vergessen konnte
Und er war traurig
daß er glücklich war
und glücklich
daß er traurig war
Ob er nun überwiegend
glücklich war oder traurig
das konnte er nicht sagen
und er wusste nicht warum.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung