MAGNETEN

Auch wenn Ihr denkt
Ihr denkt
Ist es Euch nur geschenkt
Ausgeschenkt
Verschenkt
Wie Wein und wie Gift.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

RÜCKKEHR INS LICHT

Ich wünsche mir manchmal
meine Gedanken wären Brücken
über die Ritter zu mir ins Tal
meines Lebens würden vorrücken

– ja, Ritter. Reiter. Retter.
Mit einem zusätzlichen Pferd
für mich, fit für jedes Wetter,
und Schild und Schwert

Ich brauche keine Antworten
denn ich habe keine Fragen
Sehnsucht habe ich, nach Orten
die so wirklich sind wie Sagen.

Dann würde ich los reiten
und meine Gedanken überqueren
denn zu denken ist zu leiden –
und zu träumen ist zurückzukehren.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

WEITERDENKEN

Denk an einen Vogel
der lange alleine fliegt
und da fliegen denken ist
denk an einen Vogel
der lange alleine denkt

Sein Herz war seine Navigation.

Und so flogen wir von Frankfurt nach London
und kamen immer noch nicht an
Die Maschine rollte zur Parkposition
und wir flogen noch in der Luft
und steigen nimmer aus

denn unser Herz ist unsere Navigation.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

AUSGEDACHT

Ich dachte, seit ich denken kann
Über die Gedanken, und darüber
Daß ich tatsächlich denken kann
Egal worüber

Und da Gedanken das einzige sind
Was wir immer von uns geben
Denken wir im Endeffekt es uns
Selbst aus: ewigen Tod oder Weiterleben

Unsere intimste Umgebung
Schneckenhaus, Haare, Schildplatt
Laub, Blumen, Früchte, der Mensch ist
Heute das bereits beschriebenes Blatt
Von morgen.

Ich weiß, was Du denkst
Du weißt, was ich denke
Nur wissen wir es beide nicht
Weil wir genau dasselbe denken:
Es ist verborgen.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

SCHLUSSSTRICH

Zu lang bin ich nicht mehr geflogen
Zu lang habe ich nachgedacht
Zu lang habt Ihr mich gewürgt
Tausendgedanken klein…

Zu lang habt Ihr mich betrogen
Zu lang stahlt Ihr mir die Nacht
Und habt mich mit Unsicherheit eingemauert
Tausendgedanken klein…

Das ist wirklich Scheiße
Schmeiß es ins Klo
Und laß wegspülen…
Tausendgedanken klein.

– Che Chidi Chukwumerije.

UNRUHIG

Ein gewöhnlicher Nachmittag
Unruhig lauf ich hin und her
Von meinen Gedanken getrieben

Manchen lauf ich davon
Anderen ewig hinter her
Meine Wohnung ist mir zu klein

Es steht mir alles im Weg
Es stehen mir alle im Weg
Ich stehe mir selbst im Weg

Ich verlasse Heim und Herd
Doch der Fluß beruhigt mich nicht
Noch Wiese, noch Himmel, noch Wald

Von allem kann ich mich trennen
Selbst vom Leben – nur von einem
Eben nicht – von mir selber.

Spieglein, Spieglein, Dichtung
Sei heut wied meine Lichtung
Gib mir innerlich eine Richtung

Kaum gesucht, gleich gefunden
Adieu Denken, ich hab’s empfunden
Und meine Unruhe überwunden

Jetzt kehr ich zurück zu Herd und Heim
Es freuen sich alle insgeheim
Es fügt sich ein wie ein Schlußreim.

Ferner, weit am Horizont
Schaut, wie sie neuen Anlauf nimmt
Die dunkle Wolkenmasse.

– Che Chidi Chukwumerije.

EMPFANGEN

Manchmal kann man einen Menschen
Nach nur einer Begegnung viel besser verstehen
Als nach zehn Treffen

Wie manch ein Zaubergedicht, dessen Bedeutung
Man beim ersten Lesen voll und ganz tief empfing

Und bei weiterem Lesen
kompliziert und mühsam selber
Versucht,
gewaltsam denkend
dem Gedicht abzuringen

Vergebens.

– CHE CHIDI CHUKWUMERIJE.