DER SCHWEIGSAME

Wenn Worte Schweigen beschreiben könnten
Hätte Schweigen keine Daseinsberechtigung mehr
Nur Schweigen entspricht Schweigen

Nur der Gesprächige in mir schreibt Gedichte
Der Schweigsame äußert sich nie
Egal wie viele meiner Worte Du liest
Wirst Du mich nur zur Hälfte verstehen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

TÄGLICH REIBEN

An dem Tag, an dem ich nicht schreibe 
Sterbe ich. Nahrung meinem Seelenleibe
Ist das Abschneiden täglich einer Scheibe
Des Unsichtbaren. Ich reibe, ich reibe
An der Lampe an dem Dschinn an dem Weibe
Das Bild, das entsteht; die Geister, die ich vertreibe
Das Ziel, das stets winkt, das ist meine Bleibe.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MICH GAB ES SCHON

Mich gab es schon seit langem
Nicht alles Wesentliche ist laut
Nicht alles Laute ist wirklich da
Unter Schwarzer oder Weißer Haut

Nicht alles Lebendige ist sichtbar
Nicht alles Sichtbare ist echt
Mich gab es schon seit langem
Unsichtbare Haut ist nicht immer schlecht

Jetzt seht Ihr mich, jetzt seht Ihr mich nicht
Ein Deutscher mit fremdem Gesicht
Ein Fremder mit deutschem Gedicht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

GEBEN EMPFANGEN

Vielleicht ist es Dir entgangen
Du warst die Antwort auf mein Verlangen

Von der Einsamkeit eingefangen
Zweisamkeit anbietend hinausgegangen

Als Worte, die zittern, die bangen,
die in Deine Sehnsucht hineindrangen

Worte, die miteinander mitsangen
Eine Wellenlänge, auf der wir schwangen

Gemeinsam gefangen
Gemeinsam ausklangen

Geben ist das schönste Empfangen
und ist das Schönste empfangen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HESSISCHE WÄLDER

Was willst Du mir sagen
Hessische Nacht?
Der Wald ist zu alt für mich
Ich verstehe ihn nicht
wenn er flüstert, wenn er träumt,
wenn er schweigt oder lacht.

Der Neuschnee ist uralt.
Meiner tiefen Empfindung Gewicht
beschäftigt lehrend mich –
Ich habe es nicht ausgedacht:
Ein fremder Geist spricht durch mich
in meinem jeden Gedicht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SUMMA SUMMARUM: SCHREIBEN

Am Leben bleiben durch Schreiben.
Das Empfundene zu denken reicht mir nicht.
Auch reden mag laut scheinen, schreiben stumm,
doch Schweigen umfasst das ganze Universum.
Summa Summarum:
Schreiben ist die Welt mir einverleiben,
ist mich der Welt hinterlassen – des Dichters Pflicht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

TÄGLICH DICHTEN

Täglich dichten hat mir beigebracht,
egal wie schön der Tag war oder die Nacht,
mich zwingen zu können, Gestern zu beenden,
mich der Rätsel widmen von Heute ausgedacht,
den Empfindungen, die heute in mir trenden.

Gestern verlassen fällt mir täglich heute schwer,
bringt mir doch der Tag jeden Tag immer Mehr,
mehr von mir, und mehr von Weniger von mir,
häufig war ich zum Tagesende völlig leer
des Alten, und voll mit neuem Lebenselixier.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DIE TÄGLICHE WENDE

Ihr denkt, ich schreibe täglich Gedichte
Nein, ich blättere langsam im Buch meines Lebens
Jedes Blatt, das ich wende und lese und wende
verschwindet wieder hinter mir,
sehe ich, wenn ich mich wieder wende.

Wie viele noch vor mir sind
ist ungewiss,
denn ich bin es selbst, der sie schreibt
… täglich.
Was Ihr lest, ist, was ich gestern war.

Che Chidi Chukwumerije</em>
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung