LEERE WIRD NICHT VOLLER DURCH NÄHE

Je mehr ich von der Welt sehe,
desto weniger sehe ich von ihr.
Flugzeuge transportieren nicht nur unsre Sehnsüchte,
sondern auch unsere Ichsucht und Leere;
Das Internet zeigt uns nicht nur, was uns verbindet,
sondern so oft, was uns entfremdet und trennt;
Und bringt uns enger zusammen,
damit jeder im anderen die Einsamkeit erkennt,
unter der auch er leidet und brennt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

RAUM ZUM EMPFINDEN

Distanz ist die Illusion von Distanz
Nähe ist die Illusion von Nähe
Jede Beziehung ist subtil wie ein Tanz

Freundschaft. Blutsverwandtschaft. Ehe.
Mensch, Volk oder Staat als letzte Instanz.
Was ich sehe, ist nicht, was ich sähe.

Irgendwie reimt es anscheinend nie ganz;
Irgendwo doch, wenn tanzend ich mich umdrehe –
Dort, an der Grenze der Toleranz.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

FARBLINIEN

Die Distanz akzeptieren
als die nächste Nähe

Wissen, daß der Versuch,
näher zu ziehen

ein größeres Distanzieren verursacht

Farbe ist die dünne Trennhaut
einer großen Distanz

Die Bindehaut zwischen
Toleranz und Akzeptanz

Die willkommene Illusion von Nähe.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

NAH UND FERN

Wie viel Nähe verträgt die Distanz zum Fremden?
Ich wünsche, ich könnte Dir meine Gedanken so nah bringen,
Du würdest sie für Deine halten. Und so weit entfernen,
Du könntest sie nie mehr berühren oder in sie eindringen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

REIZ

Ich suche Distanz
Ich versuche Nähe
als Auslöser von Distanz
Komisch, aber es funktioniert

Ich suche Nähe
Ich versuche Distanz
Als Eingang in die Nähe
Komisch, aber es funktioniert.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

GESELLSCHAFT

Sie grüßte ihn gerne
Setzte sich jedoch gerne
Zu ihrer Art –

Er arbeitet gerne mit ihr
Feiert allerdings lieber
Mit seiner Art –

Gleich und gleich gesellt sich gern
Doch in unserem inneren Part, weich
Funkelt einsam in jedem ein Stern

Sie liegt nachts wach
Er liegt nachts wach
Und jeder sehnt sich schweigend nach
Der inneren Gleichart.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

ÜBER DEN ATLANTIK

Die atlantischen Meere
Die atlantische Leere
Die atlantische Lehre:

Auch ruhige Menschen sind voller Leben
Auch lange Strecken sind einst überwunden
Und wenn Gott schweigt, ist das auch ein Segen.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Jahr der deutschen Dichtung

UNZUFRIEDEN

Der Schmerz des Unerfüllbaren
Distanz ist manchmal besser als Nähe
Du weißt, daß ich Dich trotzdem sehe

Das, was wir, zusammen, nicht waren…
Das, was wir, getrennt, nicht sind…
Siehst Du’s jetzt auch? Wir waren so blind.

– Che Chidi Chukwumerije.
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

HIN UND HER

Magnete, die anziehen
Stoßen ab
Sich, dich und mich
Und gegenseitig

Neugier erregt meine Neugier
Jede Annäherung bewirkt
Diese kuriose Distanzierung
Warum?

Und sind wir danach
Uns vertrauter
Oder uns fremder
Nun geworden?

– Che Chidi Chukwumerije.

DEN FRÜHLING RIECHEN

Ich habe
In der Distanz
Frühling gesehen –

Zitternd, wie ein gebrochenes Herz
Zitternd, wie ein heilendes Herz
Zitternd, wie ein mit Hoffnung pochendes Herz

Neue Hoffnung,
Denn ich glaube an Dich.

– Che Chidi Chukwumerije.