HELL ABER SCHNELL

Wenn Du wüsstest
wie viele Leben Du in diesem einem Leben lebst…
Wenn Du wüsstest
an wie vielen Webstühlen Du gleichzeitig webst…
Wenn Du wüsstest
an wie vielen unvollendeten Geschichten Du klebst…

Wäre Dir jeder Tag, jede Minute, jeder Moment
wie eine helle Kerze, die schnell niederbrennt.
Glücklich ist, wer die Ernst der Lage erkennt
und erfüllt in seinem jeden Element
oder Talent
bevor der Tod ihn von der Erde trennt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

VOLLE TAGE

Du musst deine Tage füllen
mit tausend Erfüllungen,
denn Menschengeist, Du
findest nur dann Ruh,
wenn Du in Bewegung bleibst,
stets empfindest und treibst,
erfüllend ein endliches Erdenleben
mit endlosem geistigen Streben.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

WERDE FRÜH WACH

Wenn Dein Feind Dich erkennt
bevor Du Dich selbst kennst
ist Deine Reise zu Ende
noch vor der Wende.

Wenn Dein Herz für Wertvolleres brennt
während Du Leerem hinterher rennst
hättest Du den Weg gemieden
zur Freude und zum Frieden.

Befasse Dich früh mit dem Wesentlichen
Besinne Dich stets des Wesentlichen
Deine Zeit ist kurz und köstlich
Versagen ist untröstlich.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

HÖHER ALS ZWEISAMKEIT

Die meisten Menschen suchen nicht Gott, sondern die Zweisamkeit. Die meisten Menschen suchen nicht Freude in der Verbindung mit dem Höchsten und dadurch mit dem großen Ganzen, sondern sie suchen Freude in dem Erleben und Pflegen der Zweisamkeit; eine Verbindung, die wir dann Liebe nennen.

Dadurch grenzen wir uns ein und ketten uns den Frust des Unerreichbaren an.

Die Zweisamkeit ist schön, ist aber nur ein natürlicher Bestandteil der Verbindung zum Höchsten. Nur in diesem Zusammenhang ergibt sie sich auf natürlicher Art und Weise und wirkt fördernd, ergänzend, befreiend, nicht einengend, sondern Freude verstärkend.

Ihre zeitweilige Abwesenheit dagegen wird nicht als Druck oder Leiden oder „Einsamkeit“ empfunden, da die wahre Freude grundsätzlich und allein in der Verbindung zum Höchsten, zum Gott, also zur Liebe Selbst, und dadurch innig zum großen Ganzen, liegt.

Du magst ihn mit welchem Namen auch immer nennen, wie Du willst. Aber such unermüdend und offen nach der Bedeutung des Höchsten, des Lebensanfangs, nach dem Anfang und Inhalt der Naturgesetze, dem Leben selbst, der Klarheit, der allem übergeordneten Liebe, und nach der Verbindung zu ihr. Nur im Suchen und, viel mehr, im Finden und Verbinden wirst Du wirklich glücklich sein.

Denn dadurch, in diesem „Zusammenhang“, findest Du auch Dich und die Bedeutung und den Sinn Deines Seins, dessen Erfüllung allein glücklich macht.

Und alles andere, was Dir während dieser Suche bleibend oder zeitweilig wird – ob Zweisamkeit oder mehr, ob Reichtum, Herausforderung oder was auch immer – wird sich nur in diese Grundfreude innig einstimmen.

Che Chidi Chukwumerije

DEIN MEISTERSTÜCK

Während Du neben mir liefst
Merkte ich, daß Du schliefst
Denn Deine Augen waren nur nach Vorne gerichtet
Die Samen am Straßenrand hast Du nicht gesichtet
Wir liefen und redeten über das gelobte Land
Ich hielt derweil eine Gießkanne in meiner Hand
Und als Du abends neben mir Pause machtest
Merkte ich, wie Du plötzlich aufwachtest
Denn Du sahst auf meiner Straßenseite
Blühende Blumen bis in ferne Weite.

Jetzt verstehst Du warum ich ständig
Am schaffen bin, stündlich, täglich -
Dein Meisterstück ist eine Blume am Straßenrand
An der Du vorbeiläufst unterwegs ins gelobte Land.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

VEREINFACHUNG

Bist Du mutig?
Fragt mich die Innere Stimme -
Bin ich.
Dann höre auf mich - das ist Mut.
Zeige Dich.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DIE WORTE KOMMEN WIEDER ZURÜCK

Wie Worte überleben
Wie sie Schweigen überdauern
Und wieder auftauchen
Wie U-Boote, wie sie lauern
Bis Herzen sie wieder brauchen
Um sich gegenseitig zu vergeben.

Wie Worte hartnäckig überleben
Geformt als Texte mit festen Bedeutungen
Halb-geformt als im Blut gefühlte Gedanken
Ungeformt als feine Kern-Empfindungen,
Wie altes Geld in und aus alten Banken
Ihr Reichtum irgendwann wieder - und weiter - geben.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

UHRZEIGER-SINN

Hörst Du den Tanz des Uhrzeigers?
Halb elf abends
trabend trabend
Die ganze Nacht hört zu, hypnotisiert.

Hörst Du Rap des Uhrzeigers?
Dreiundzwanziguhrfünfzehn
Mal mit mal gegen das korrupte System
Wie schön er rundum philosophiert.

Hörst Du das Trommeln des Uhrzeigers?
Halbe Stunde vor Mitternacht
Treu seinem eigenen inneren Takt
Ob gelobt oder kritisiert.

So will ich auch gehört werden
Im Schritt mit dem Zeitgeist, vorwärts.
Mein Herz schlagend für meine Taten
Meine Taten sprechend für mein Herz.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DRANG NACH ERFÜLLUNG

Ich muss mich zurück ziehen,
wie aus Winters’ Atem Frühlings Zug,
aus falsch angenommenen Pflichten,
aus Selbsttäuschung und Selbstbetrug.

Wie oft wollen wir den Himmel stürmen
und lassen dabei die Erde außer Acht?
Wie oft wollen wir für alles und alle andern leben?
Dabei werden unsre wahren Ziele umgebracht.

Und schleichend kommt des Geistes Sterben,
des Geistes Absterben bei lächelndem Gesicht;
Eine Wahl kann doch nicht stimmen,
die getroffen wird zwischen Liebe und Pflicht.

Eine Menschheit kann doch nicht gedeihen,
wenn jedes Ich zutiefst gespalten ist;
Frieden und Krieg werden nur wiedergeben,
was ich innerlich bin und was Du innerlich bist.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

TAUSEND FÄDEN

Es wachsen so viele Blumen in meinem Garten
Ich weiß nicht, wo sie alle herkommen
Aber ich spüre, daß sie alle auf mich warten

Und geduldig sind sie, ich weiß nicht warum
Sie haben, jede, ein Teil von mir in Besitz genommen
Sie polstern meine Gefühle, innerlich stets um mich herum

Ich dachte an die im Tal, als ich den Berg erklommen
Dachte an die am Ufer, als ich im Fluß geschwommen
Und die Berg und Fluß Blumen flüsterten: er wird zurück kommen.

Wie viele Leben muß man leben,
um ein Leben zu Ende zu leben?
Wie viele Leben kann man in einem Leben
zu Ende leben?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung