Wie Worte überleben Wie sie Schweigen überdauern Und wieder auftauchen Wie U-Boote, wie sie lauern Bis Herzen sie wieder brauchen Um sich gegenseitig zu vergeben. Wie Worte hartnäckig überleben Geformt als Texte mit festen Bedeutungen Halb-geformt als im Blut gefühlte Gedanken Ungeformt als feine Kern-Empfindungen, Wie altes Geld in und aus alten Banken Ihr Reichtum irgendwann wieder - und weiter - geben. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Erfüllung
UHRZEIGER-SINN
Hörst Du den Tanz des Uhrzeigers?
Halb elf abends
trabend trabend
Die ganze Nacht hört zu, hypnotisiert.
Hörst Du Rap des Uhrzeigers?
Dreiundzwanziguhrfünfzehn
Mal mit mal gegen das korrupte System
Wie schön er rundum philosophiert.
Hörst Du das Trommeln des Uhrzeigers?
Halbe Stunde vor Mitternacht
Treu seinem eigenen inneren Takt
Ob gelobt oder kritisiert.
So will ich auch gehört werden
Im Schritt mit dem Zeitgeist, vorwärts.
Mein Herz schlagend für meine Taten
Meine Taten sprechend für mein Herz.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DRANG NACH ERFÜLLUNG
Ich muss mich zurück ziehen, wie aus Winters’ Atem Frühlings Zug, aus falsch angenommenen Pflichten, aus Selbsttäuschung und Selbstbetrug. Wie oft wollen wir den Himmel stürmen und lassen dabei die Erde außer Acht? Wie oft wollen wir für alles und alle andern leben? Dabei werden unsre wahren Ziele umgebracht. Und schleichend kommt des Geistes Sterben, des Geistes Absterben bei lächelndem Gesicht; Eine Wahl kann doch nicht stimmen, die getroffen wird zwischen Liebe und Pflicht. Eine Menschheit kann doch nicht gedeihen, wenn jedes Ich zutiefst gespalten ist; Frieden und Krieg werden nur wiedergeben, was ich innerlich bin und was Du innerlich bist. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
TAUSEND FÄDEN
Es wachsen so viele Blumen in meinem Garten
Ich weiß nicht, wo sie alle herkommen
Aber ich spüre, daß sie alle auf mich warten
Und geduldig sind sie, ich weiß nicht warum
Sie haben, jede, ein Teil von mir in Besitz genommen
Sie polstern meine Gefühle, innerlich stets um mich herum
Ich dachte an die im Tal, als ich den Berg erklommen
Dachte an die am Ufer, als ich im Fluß geschwommen
Und die Berg und Fluß Blumen flüsterten: er wird zurück kommen.
Wie viele Leben muß man leben,
um ein Leben zu Ende zu leben?
Wie viele Leben kann man in einem Leben
zu Ende leben?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AUCH DU BIST EIN BAUM
Der Baum stand da
im Regen und in der Sonne
und sagte zu mir
Ich biete Schutz und Schatten an
Ich bitte und bettle selbst nicht
um Schutz und Schatten –
So viel Stolz habe ich.
Und ich antwortete
Aber Du brauchst auch Schutz –
Und der Baum sagte zu mir
Das ist Deine Sorge
Mich interessiert das nicht
Denn auch Du Mensch bist ein Baum
So viel Stolz musst Du haben.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
NICHT DER ERSTE DEZEMBER
Ich frage mich,
wie die Natur das immer macht,
wie die Zeit das jedes Jahr schafft,
ohne Unterlass:
schneller als ich mich verändern kann,
früher als wahrgenommen und erwartet,
der Dezember ist wieder da.
Das waren keine Monate,
die ihm vorausgegangen sind…
waren keine Jahreszeiten.
Das war mein Leben,
das gelebte und das nicht gelebte,
das tief und das oberflächlich erlebte,
und es kommt nie wieder zurück.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SEHNSUCHT NACH ERFÜLLUNG
Unscharf das Bild.
Unklar das Strassenschild.
Undeutlich das brennende Bedürfnis.
Nebulös der Durst
und ungestillt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ALLES MUSS ERFÜLLT WERDEN
Tausend Geschichten –
deshalb meine so viele Schichten
Hundert Projekte,
in die ich mich täglich projiziere
Zehn Vereine,
die sich alle in mir vereinen
24 Stunden
drehen viel zu schnell täglich ihre Runden
Und Familie… und Träume
brauchen alle ihre Zeit und ihre Räume.
Alles muß erfüllt werden
in diesem Leben, auf dieser Erde.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
UNERFÜLLT
Eine Kerze, die bleibt,
verschwindet
Eine Kerze, die verschwindet,
bleibt
Ein Wort, das behalten wird,
verschwindet
Ein Wort, das gegeben wird,
bleibt und bindet
Jeder Traum und jeder Wunsch,
der am Ende des Lebens
unversucht geblieben ist,
bindet.
Die Friedhöfe sind voll
Häuser und Märkte sind voll
Unsere Erinnerungen sind voll
von erdgebundenen Geistern.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FAMILIENVATER
Bin schwach heute
finde aber in meiner Umgebung keinen Platz
für das schwache mich.
Alle sehen mich mit Augen an
die mich wissen lassen, daß ich für sie stark bin
und stark sein muss.
Deshalb bin ich stark
auch wenn ich schwach bin
besonders wenn ich schwach bin.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung