DER LANGSAME WEG

Der langsame Weg
Der prägt am tiefsten
Seine Berührungen sind schräg
Seine Blicke am Schiefsten

Er zieht Dich runter
Zum untersten Punkt tief in Dir
Und schlägt Dich munter
Und scheuert Dich bunter
Und führt Dich nach Hause zu Dir.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

TAUSEND TAGE

Mach aus jedem Tag
hundert, tausend Tage,
Neue Dinge, wag!
Inneres - hinaus… trage.
Deine Schicksalsfäden
sind mehr als Du weißt.
Befreie Dich von trägen
Gefühlen. Du bist Geist!
Die große Erde ist dicht,
ist langsam, ist klein;
Folgst Du dem Licht,
musst Du schneller sein.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

GESCHEHEN-GEBUNDEN

Der Zug rollt ab, wie ein Geschehen,
aus dem Du nicht mehr aussteigen kannst.
Durchs Fenster wirst Du vieles sehen,
an dem Du Dich nicht beteiligen kannst.
Du kannst weder stoppen noch umdrehen;
die Fahrt erleben ist alles, was Du kannst.
Es bringt nichts, zu bitten oder zu flehen,
Du bist Geschehen-gebunden. Du kannst
im Zug sitzen bleiben oder aufstehen,
rumlaufen, mit anderen reden. Du kannst
Freunde finden, die den selben Weg gehen
wie Du, mit denen Du Wärme teilen kannst.
Enge Verbündete wie in Familien, oder Ehen,
oder im Krieg, oder im Knast. Werte kannst
Du schöpfen, Bunde formen, die nicht vergehen
werden, wenn Du endlich umsteigen kannst
an der nächsten Station in Deines Lebens Geschehen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

GEDULDIG MIT ERLEBEN

Zu einem Menschen ohne Geduld
kannst Du nicht sagen Hab Geduld
Zu einem Menschen mit Angst
oder Wut
kannst Du nicht sagen Hab keine Angst
oder hab keine Wut

Was Du hast, hast Du
Was Du nicht hast, hast Du nicht
Nur durch Erleben lernst und wächst Du,
Durch Worte allein nicht.

Lass die Ungeduldigen ihre Ungeduld erleben
Lass die Ängstlichen ihre Angst erleben
Lass die Wütenden ihre Wut erleben -
Ohne Sichselbstsein kein wahres Erleben
Erleben und die Rückwirkung wieder erleben
Eine Schule ist das Erdenleben
Ohne Erleben kein Werden, kein Leben.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung 

MACH SCHNELL

Was Du suchst, suche schnell,
Suche gründlich -
Wo Du hin willst, gehe schnell hin,
breche früh auf, pünktlich -

Was Du machen willst, mach sofort,
stürze Dich in das Erleben ernsthaft, vollends,
warte nicht damit -

Du hast nicht viel Zeit, um herauszufinden,
ob es falsch ist oder richtig -
Sterbe nicht ohne wissender geworden zu sein,
egal ob glücklich oder unglücklich -

Denn lebst Du Dein Erdenleben oberflächlich,
leichtfertig, musst Du wieder von Vorne
anfangen damit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DAS ÜBERGEORDNETE

Jedes Gedicht fängt mit einem kurzen Bild an,
das ich mit dem ersten Ausdruck schnell festhalte.
Jedes Gedicht fasst einen tieferen Begriff zusammen,
den ich bis zum letzten Ausdruck langsam entfalte.

Jeder Tag fängt mit neuer Hoffnung im Herzen an,
die mit der Morgendämmerung erwacht und sich regt.
Weil ich geboren wurde, trag ich in mir ein hohes Ziel
und mein Leben einen Sinn, der mich wechselwirkend trägt:

Den Willen Gottes zu finden, zu begreifen, Ihm zu dienen,
auch und vor allem in dieser modernen Zeit Ihn zu erfassen;
bei all den Herzesthemen, die uns zerreißen,
den übergeordneten Gral nie aus dem Blicke zu lassen.

Die Morgentauben grüßen euphorisch den neuen Tag -
an ihrer Inbrunst tut meine Tatkraft sich durstig laben.
Bis der Nachtgeist mich wieder in seine Ruhe hüllt,
will ich durch Erleben mehr Klarheit mir gesichert haben.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ZU VIELE GEDANKEN

Wenn Du Dir die Welt
vorstellst als Gedankenfeld,
dann ist kein Flugzeug schnell genug,
kein Internet Verbindung genug,
um Dir innerhalb der kurzen Zeit,
die wir ein Erdenleben nennen,
ein Erleben zu ermöglichen der Unendlichkeit
der Wege, die Erde kennen zu lernen,
und in Deinem Innenleben zu erkennen:
Das Paradies ist nicht in den Sternen -
Es ist hier in unseren Herzen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WACHSEND HARREN

Wenn Du weißt, es ist
noch nicht so weit und Du warten
musst - und Du warten musst -
zwischen Hoffnung und Frust,
Herz voller Leben, voller Lust,
ein tausendseitiges endloses Erwarten
des Endes, des Anfangs. Zum Starten
reicht Deine große Sehnsucht nicht,
Deine tiefe Sehnflucht. Es sticht,
es sticht, die Sicht, die Sicht ist
noch getrübt. Du musst noch warten.
Und harren wachsend im Erwarten.
Die Charakterzüge, Blumen im Garten,
die Dir dabei erblühen, die harten
aber vor allem die geschützten zarten,
werden eines Tages zu Deinen Fahrkarten -
Auf sie tut Dein Schicksal geduldig warten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SEIN LASSEN

Wenn ich überlege, wieviel ich mich verändert habe in den letzten zehn bis 15 Jahren, dann bin ich froh, daß ich so viele neue und unterschiedliche Sachen gewagt und gemacht habe. Denn wenn Du vieles bist, musst Du auch vieles sein, um durch Erleben vieles durch- und aus- und abzuleben – und somit vieles sein zu lassen – damit zunehmend nur das zurückbleiben kann, was Du wirklich bist.

Che Chidi Chukwumerije

 

ERLEBEN UND VERGESSEN

Kannst Du Dich daran erinnern
als wir einmal vor langer langer Zeit
in Salzburg zu Besuch waren?

(Schweigen)

Wir haben besucht… oder wollten besuchen
ein klassisches Konzert…
Oder habe ich mir das alles nur geträumt?

Ich kann mich nicht daran erinnern

Ich wollte irgendwo finden
wo ich An der schönen blauen Donau
live gespielt hören konnte…
Es kommt mir jetzt wie ein Traum vor…

(Schweigen)

Wie kann man so viel erleben
und so viel vergessen?…

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung