Ausgelaugt, abgenutzt
liegt das Land ermattet, weich –
Die Republik ringt mit dem Reich.
Die Nation hat beide links und rechts gestutzt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Ausgelaugt, abgenutzt
liegt das Land ermattet, weich –
Die Republik ringt mit dem Reich.
Die Nation hat beide links und rechts gestutzt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Baum Klassismus
Frucht Rassismus
Wurzel Eitelkeit
Gewässert von der geistigen Trägheit
Täterschaft
Untrennbar von der Untätigkeit
Der Freundschaftsgruß
Untrennbar von dem Verräterkuss
Verraten wurde die Menschheit
In Dir in mir das gekreuzigte Wir
Wiederauferstehen will die Menschlichkeit
Denn unser Grab, siehe: es ist leer.
Sieg der Hoffnung ist es,
wenn der Mut zum Mutmachen mutig bleibt,
wenn der Mut zum Mundaufmachen wiederaufersteht,
wenn der Mut zur Solidarität ewig lebt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Das Wissen springt
wortlos
von Augenpaar zu Augenpaar
Augenblick zu Augenblick
buchstäblich
Doch keiner spricht es aus.
Die einen, um ihre Freude zu verbergen.
Die anderen, um ihre Angst zu verbergen.
Und in dem Schweigen wächst die Gewissheit.
daß Morgen das Kind von Gestern ist.
Nicht heute.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Und so kehrt der Totalitarismus zurück
als heldenhafter Ritter in glänzender Rüstung –
und die dankbaren Völker auf ihrer Brüstung
aus äußerer Angst und innerer Verwüstung
schenken ihm jubelnd ihre Freiheit zur Begrüßung
und fassen nicht ihr Glück.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
Ich denke an Euch
wie Ihr mit Eurem Leben
dafür bezahlen musstet
daß Ihr ein Leben hattet
und Teil unseres Lebens wart
– und nur deshalb.
Ich denke an Euch
entspannt lachend im Arm
des gemütlichen Abends
eingerahmt vom familiären
und vertrauten „Wir“
– zum aller letzten Mal.
(an die Opfer des rassistisch motivierten Terroranschlags am 19.02.2020 in Hanau)
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
Er nannte seinen ersten Sohn Che,
Glaubte an Marx und Sozialismus,
Verehrte aus der Ferne die DDR,
Und verpönte den Kapitalismus.
Doch die Welt würde sich verändern,
Kameraden wandten sich ab vom Kommunismus,
Che starb und Jahrzehnte später die DDR,
Geblieben ist nur der Kapitalismus.
Er sah die Globalisierung Platz nehmen,
Als Konservativ auch den Liberalismus,
Als Christ den Anstieg der Glaubenskriege,
Und die Rückkehr von Rassismus und Faschismus.
Sein geliebter Panafrikanismus fruchtete nicht
Zeitlebens; und Biafra blieb mißverstanden,
Als er im Kreis seiner Kinder nachdenklich starb,
Gottvertrauend, von vielen Menschen unverstanden.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
Vor lauter Gestalt
Wo bist Du, Inhalt?
Sollen wir jetzt Angst haben
Da die Diktatoren weltweit
Wie dunkle Wolken am Himmel
Sich zusammenziehen und verbünden?
Vor lauter unlauterer Gestalt
Inhalt, wo bleibst Du, Inhalt?
Als wir jünger waren und leichtgläubig
Waren wir alle blauäugig und blind
Durchschauten nichts, sahen nicht
Die kommende Trennung nach Gestalt
Des gehaltsschweren leeren Inhalts.
Sollen wir jetzt Angst haben
Da die Diktatoren sich gefunden haben?
Wen werden sie schützen? Wen vernichten?
Vor lauter Gestalt – – Wo bleibt Inhalt?
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
Es wurde plötzlich dunkler mitten am Tag
Und die Antisonne, dieser dunkle Mond
Stieg nicht von Oben herab, sondern lag
Innen drin, kam von Herzen, wo er thront
Und mitten unter uns wartend mit wohnt.
Jahrzehntelang. Wartend.
Grübelnd. Brütend.
Sinnierend. Beobachtend.
Wütend.
Sehr wütend.
Die Herrschsucht. Die Sehnsucht.
Eine tödliche Mischung aus falsch und richtig.
Die Fahrerflucht in die Sucht nach Zucht
Jede andere Ordnung ist null und nichtig
– dennoch reimt es sich nicht.
Wächst das Dunkel, wächst das Licht
Lernt das Dunkel, lernt das Licht
Kommt das Dunkel, kommt das Licht.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
Die Augen lügen nicht
Haß ist keine Lüge
Haß ist die Wahrheit
Einer Lüge
Die Augen lügen nicht
Auch wenn sie betrügen
Scheinliebe verbirgt
Nicht ganz die Lügen
Die Augen können Liebe lügen
Den Haß nicht. Haß ist
Unvortäuschbar
So blind, wie Haß ist
Haß ist der Urrassist
Hasst alles, was nicht Haß ist
Haß ist der Urnarzisst
Und da der Haß seine Art ist
Zu lieben, liebt er nichts
Was nicht Haß ist
Und liebt sich, denn er hasst sich
Und mich liebt er auch nicht
Er hasst mich. Denn Haß ist
Der Urfaschist. Und ich bin geistig frei.
Ihre Augen lügen nicht
Und in letzter Zeit
Wollen sie auch nicht lügen
Denn es ist so weit.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung