Wir standen auf den Wolken Die Erde ist so klein Denke ich mir während wir laufen Langsamen Schrittes hoch über Länder Ich habe nicht mal meinen Gedanken Zu Ende gedacht Schon sind wir am Zielflughafen gelandet. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Fliegen
FLÜGELSCHLAG
Ich habe Dir Flügel geschenkt, nicht damit Du mich umarmst, sondern damit Du wegfliegst. Ich könnte Dich nimmer so beglücken wie Sonne, Wind und Wolken Dich umarmen, wenn Du hoch fliegst. Bist Du einmal aufgebrochen sind wir zwei gleichsam erfüllt weil Du heimfliegst. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SONDER FALL
Fallen war mein Fliegen und bis ich am Boden ankam hatte ich es gemeistert. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FLUGREISE
Wir flogen durch die Wolken ein Stück, wie eine Idee durch unsere Gedanken zieht. Wir blieben der Wolken als kurze Erinnerung zurück und verschwanden wie eine Idee, die den Gedanken entflieht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MITFLIEGENDE WURZELN
Das Flugzeug ist voller Wurzeln, die bis zum Boden - fast - reichen. Die sitzen fest angeschnallt sehnen sich nach der Landung. Ihre Geschichten, ihre Schicksale, wie Schleifen, hängen außen vom Flugzeugrumpf herunter, sichtbar nur dem Hellseher, dem Fantasieregen und dem Dichter, fliegen im Wind, mitgezerrt, flatternd hinten wie hundert Schwänze. Sie sind die Wurzeln der Reisenden und sehnen sich ebenso nach dem Boden, nach Erdung. Sanft war die Landung. Die Menschen setzen Fuß auf festen Boden. Ihre Wurzeln bohren sich wieder in die Erde. Nur ihre Träume und ihre Wünsche, diese fliegen weiter. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FLUGHAUFEN
Flughaufen. Die Welt am Laufen. Die Ferne kann man kaufen, Nähe nicht. Ein Haufen Sehnsucht. In Schlaufen gebannte Flucht. Wir verkaufen Zuflucht, Zuhause nicht. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DURCH DIE NACHT
Ich mag es, durch die Nacht zu fahren.
Es erinnert mich an die Sehnsucht
nach dem Licht.
Ich fürchte mich nicht.
Ich mag es, durch die Nacht zu fliegen.
Es erinnert mich an das Werben
um die Liebe.
Nur die Hoffnung verbliebe.
Ich mag es, durch die Nacht zu träumen.
Es erinnert mich an den Zauber
meiner Jugend.
Verlorene Tugend.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
UNBEKANNTER FLUSS
Wo schlängelst Du hin?
Wie ein Fragezeichen
schaust Du kurz hoch
während ich vorbei fliege
betrachtest mich halb lächelnd
halb stirnrunzelnd und fragst mich
Wo schlängelst Du hin?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ÜBERFLUG
Die harten Bergspitzen
kitzeln zart den nackten Bauch
des stolzen Flugzeugs
Überrascht hält es an,
knurrt sanft und bleibt schwebend
im Genuß gefangen –
steif und weich
Eine Wolke fast wie
ein tausend andere
Dann erinnert es sich plötzlich
an seine Reise wieder und eilt
schnell davon
scheu wie ein Vogel.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
OBEN BLEIBEN
Ich fliege
Aber ich fliege nicht allein
Ein Gedanke fliegt mit mir
In mir
Und er lautet:
Was ist, wenn ich nie wieder lande?
Und selbst nach dem ich gelandet bin,
fliegt dieser Gedanke weiter,
über Ängste und Schmerzen hinweg,
über Pläne und Bindungen und Trennungen.
Und darüber hinaus. Er fliegt einfach weiter
und hält mich ewig in der Luft.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
