Wer fragt führt Wer antwortet verführt Wer schweigt spürt Wer zuhört berührt. Che Chidi Chukwumerije ♦ Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Fragen
KLARHEIT WIRD NÄHE STETS BESTRAFEN
So viele Antworten in der Welt,
wo fängt man an zu fragen?
Wo fängt man an, Mensch zu sein
und als Mensch sich zu betragen?
Kaum einen Gruß getauscht,
schon klingt er hohl und missverstanden;
Kaum einen Kuss geteilt,
schon schmeckt er alt und gestanden;
Kaum einen Fluss überquert,
an dem unsere Sehnsüchte sich trafen,
schon sind wir uns fremder als je zuvor –
Klarheit wird Nähe stets bestrafen.
Alle meine Fragen an Dich
kamen beantwortet zurück;
Alle Deine Antworten an mich
machten mich ein bisschen verrückt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FRAGEN
Ob der Wald einsam ist
inmitten der Menschenwelt?
Und das Tier sich wundert,
ob es dem Menschen nicht gefällt?
Ob jede Jahreszeit ahnt,
wie vor ihrer Ankunft die Welt aussah?
Völker ändern sich, Nationen auch,
Keiner versteht wirklich, was geschah.
Menschen ändern sich, irgendwie –
irgendwie auch nicht.
Alle tragen unbeantwortete Fragen
hinter ihrem verschlossenen Gesicht.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DAS WESENTLICHE
Papa, Du bist
fast nie Zuhause –
sagte mir heute Morgen mein Sohn.
Aber ich hörte:
Papa, Du bist nie da.
Und ich dachte an die Demos,
dachte an die Arbeit und an die Treffen,
an die Zukunft, die ich ihm bereiten wollte…
Und ich fragte mich:
War es das alles Wert?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
BLEIBENDE FRAGEN
Diese Ahnung
Den ganzen Tag lang
Daß irgendwann heute in der Früh
Irgendwas in Dich eindrang –
Aber was?
Eine Melodie ist ein wortloser Gesang.
Viele mögliche und unterschiedliche Worte
Schwängen mit ihr im Einklang.
Seltsam, am Ende des Tages,
Nach dem ganzen langen schweren Gang,
Der selben wortlosen Melodie zu lauschen,
Ohne Antworten, wie am Anfang.
Diese unterschwellige Ahnung
Den ganzen Tag lang
Daß irgendwann heute in der Früh
Irgendetwas in Dich eindrang –
Aber was?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
OFFEN FÜR ANTWORTEN
Die Grenze stand an mir
Und konnte mich nicht überqueren
Denn egal wie sehr sie sich verschloß
Blieb ich offen…
Offen für weniger, offen für mehr
Offen für Antworten, die zu mir heimkehren
Und jede Antwort, die sich mir erschloss
Ließ mich weiter hoffen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
SCHWEIGEN
Wie die Bäume
Die alles hören
Sehen und fühlen
Und niemand stören
Habe ich gelernt
Nicht auf alles
Zu antworten
Wie die Bäume
Die als Samen starten
Und langsam wachsam
Während wir warten
Habe ich gelernt
Es gibt nicht für alles
Vorgefertigte Antworten
Manche Fragen sind Samen –
Gebettet am stillen Ort
Zieht sich langsam zusammen
Die richtige Antwort.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
ANTWORT SUCHT FRAGE
Wie geht es Dir?
Ist die Frage, die ich am wenigsten
Beantworten kann.
Wie läuft Dein Tag?
Ist eine andere Art, zu sagen
Ich denke an Dich.
Liebst Du mich?
Ist die traurigste Aussage, die ein Mensch
Über sich tätigen kann.
Darf ich Dir helfen?
Ist die intimste Annäherung überhaupt Vom Mensch zum Mensch.
Der Tag neigt dem Abend
Der Abend der Nacht
Die Nacht dem Morgen
An dem alles wieder erwacht
Und das größte Fragezeichen
Der Menschengeist –
Wird er die Antwort erkennen
Die ihn umkreist?
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
VERFÜHREN
Wer fragt
Der führt
Hat er irgendwo gelesen
Und fuhr fort
Wer antwortet
Der verführt
Hat sie irgendwann verstanden
Und hielt Wort.
– Che Chidi Chukwumerije.
OB DU DAS VERSTEHST ODER NICHT
Warum zitierst Du andere
Wenn in Dir selbst
Die Stimme spricht?
Hast Du Dich noch nicht verstanden
Wirst Du’s bei andern auch nicht
In Dir leben Fragen
Nur die darfst Du stellen
Nicht die Fragen der Anderen
Egal wie gut ihre geistigen Güter scheinen
Sind für Deinen Weg Deine eigenen die Besseren
Allein zählt die Liebe
Ob Du das verstehst oder nicht
Und die Bescheidenheit ist stolzer
Als das Stolzeste, was es gibt.
– CHE CHIDI CHUKWUMERIJE.
