AN DAS WEIBLICHE

Wäre Ahnung eine Person,
dann wäre sie ein Weib.
Wäre Tiefe ein Körper,
bestimmt ein weiblicher Leib.
Würde Heim, würde Heimat
Form nehmen genau,
dann stünde vor unseren Augen
eine warme und tiefe Frau.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

MÄNNLICH IST NICHT WEIBLICH

Mann oder Frau?
Männlich oder weiblich.
Es gibt eine Sensibilität der Empfindung
Es gibt eine Tiefe der Erinnerung
Es gibt eine Genauigkeit der Wahrheitserkennung
Es gibt eine Intensität der Gewissensfühlung
Es gibt einen Grad der Gottesverbindung
Es gibt eine Feinheit der Schönheitsgestaltung
Es gibt ein Zuhause, eine Ruhe, ein Heil,
Zu deren Erreichung, das was zählt,
Mir als Mann der weibliche Anteil
Innen fehlt.
Männlich ist nicht weiblich
Und Mann ist nicht Frau.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DER VERSCHLOSSENE WALD

Sie hat gelernt,
daß Schweigen schützt;
Das Schweigen der Bäume,
in mitten deren - ne, dessen - sie sitzt,
das sie vom Überflüssigen abschirmt,
das ihr Sinnen unterstützt,
und das ihr nur das enthüllt,
was ihrem Heilen nützt.

Tausend Erinnerungen pro Empfindung -
Selbst die kleinste davon preiszugeben
ohne sich selbst und anderen vorher zu vergeben
kostet sie Überwindung.

Sie hat gelernt schweigend zu geniessen,
schweigend ihren Wald zu verschließen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

GEHEIMNIS NACHT

In nichts und niemanden
ging ich so oft ein
wie in die Nacht.

Ich kenne sie besser
als jede Freundin, die ich je hatte.

Und doch ist sie ein Geheimnis.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

W/M/D

Das Geheimnis weiblich
Das Geheimnis männlich
Und das Rätsel dazwischen
Wo sich diverse Fragen befinden.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ODE AN DIE REIFE

Ein junger Baum
an den Fransen des Ganzen kokett gepflanzt
nimmer kann einen alten
mit Narben und Falten geschmückten ersetzen –
Jahre des Wachsens braucht er,
bis er so viel CO2 binden kann.
Erst muß er alt werden.

Eine junge Frau niemals
kann eine reife ersetzen –
Die Funzel tief im Fond ist, näher betrachtet,
ein zur Flamme gewordener Funke,
sorgfältig beschützt mit Taft und Takt –
ein geschütztes Dotter ungeschlagen –
Jahre der Sehnsucht, des Leidens, des Wissens.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DIE MUSIK DER LIEBE

Gitarre
wenn Du Frau wärest
wem gälte meine Treue?
Ihr, die mich befeuert
oder ihr, die mich beruhigt?

Ich bin beunruhigt heute Abend
und weiß nicht,
zu wem ich hilfesuchend gehen soll –
zu meiner Gitarre
oder zu meiner Frau.

Gitarre
ich glaube, ich nehme Dich zu meiner Frau
und spiele ihr ein Lied –
uns drei würde heute Nacht sicherlich
ein Dreier gut tun.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DAS GEWICHT DER UNENDLICHEN LIEBE

Harte Kanten
Der Tisch, wie ein Rücken,
Trägt alle meine Bücher
Alle meine Gedanken
Und bricht nicht
Seine Kanten sind
Hart
Fest
Scharf
So schön ist er, der Tisch.

Weiche Kurven
Die Frau, wie eine Palme,
Erträgt alle meine Forderungen
Alle meine Träume
Und gibt nicht nach
Ihre Kurven sind
Weich
Fest
Zart
So schön ist sie, die Frau.

So schön ist er, der Tag
So schön ist er, der Abend
So schön ist sie, die Nacht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

VOLLMOND

Ich fand heute Nacht
Den Mond, rund
Wie ein Kussmund
Reif und aufgewacht

Und ich suchte
Deinen zarten Mund
Sanft-zitronen jung
Im schlammigen Grund
Meiner dunklen Erinnerung

Dann versuchte ich
Ins volle Herz des Mondes
Schmerzes einzubrechen
Denn eine Frau bis auf ihres Grundes
Herz ganz zu lieben, spüre ich,
Ist kein Verbrechen.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

TRAURIGE SCHÖNHEIT

Es rührt sonderbar zu sehen
Eine hübsche traurige Frau
Hinter ihr bereits zwei Ehen
In der dritten sitzt sie zur Schau

Ich beobachte sie nachdenklich
Wie sie an ihrem Tisch sitzt alleine
Unsere Augen, ab und zu, treffen sich
Ihre sind nachdenklicher wie meine

Sie hat die Jahre gut überstanden
Der Schmerz hat sie fesselnder gemacht
Doch sicher, das “Warum” hat sie nie verstanden
So selten wie sie heute noch lacht

An meinem Tische unterhalten sich
Meine guten Kumpel mit ihrem Ehemann
Er will bleiben und tanzen feierlich
Was sie will, wird nicht kundgetan

Lebhafter wird die Veranstaltung
Immer mehr Leute, Musik, Essen, Bier
Sie beachtet alles mit Zurückhaltung
Und tauscht immer wieder einen Blick mit mir

Ihre Schönheit ist atemberaubend
Aber die hat sie nie wahrgenommen
Nach dem Sinn des Lebens verlangend
Hat sie den Lebensberg stets rastlos erklommen

Kurz nur blieb sie noch sitzen
Während andere tanzten wild und schräg
Und als auch ich anfing, zu schwitzen
Schaute ich ‘rüber und sie war weg.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung