HÖR AUF DEIN GEWISSEN

Es gibt ein anderes Wort für Rassismus,
es heißt Kulturrettung.
Es gibt für Fremdenhass eine schönere Bezeichnung,
sie lautet Heimatverteidigung.

Jedem seins hört sich doch besser an
als Diskriminierung oder Unterdrückung.
Unter uns sein wollen sagen wir jetzt,
also Gleichart, nicht mehr Ausgrenzung.

Doch die schönsten Begriffe sind trotzdem hässlich,
wenn sie ohne Liebe gelebt werden.
Die besten Bezeichnungen sind die schlimmsten,
wenn sie Herrschsucht und Hass verkleiden sollen.

Hör bitte auf Dein Gewissen in Deiner Jugend
und behalte lang diese flüchtige Erinnerung
der Brüderlichkeit wenn Du älter und kluger wirst
und erbst die verlockenden Vorteile der Führung.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WAS HABEN WIR NOCH ÜBRIG?

Wenn der Krieg jetzt käme,
was hättest Du?
Grundgesetz oder Grundstück?
Welches sichert Dir Ruh?
Wer besitzt Edelmetall oder Mineral?
Wer hortet Waffen?
Unser armes Ergebnis von Jahrtausenden
von evolutionärem Schaffen.

Was haben wir übrig?
Machtgier, Ichsucht, Fremdenfeindlichkeit.
Da Menschen keine Aliens sind,
herrscht hier bloß die Menschenfeindlichkeit.
Die Übermacht des Stärkeren,
des Schwachen Machtlosigkeit.
Erneut die enttäuschte Sehnsucht
nach friedfertiger Menschlichkeit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ANGEHALTENER ATEM

Die Bilder, die uns hätten mahnen sollen,
ernteten uns, und siegessicher, Erlahmung

Die Bilder, die uns hätten warnen sollen,
signalisierten stattdessen Entwarnung

Die Bilder,
die uns an vergangenes Übel erinnern sollten,
angeblich wilder,
lenkten uns vom heute begangenen Übel ab,
anscheinend milder.

Doch Fremdenhass kommt heute
niemals angekleidet wie gestorbene Leute –
Er zieht T-Shirts von heute an
sieht cool aus, normal, aufgetan
und tanzt im Club dann und wann.

Hass braucht keinen Grund, zu hassen.
Dein Dasein ist ihm Boden genug.
Generation für Generation wächst seine Ungeduld.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MEINE ENTSCHEIDUNG

Ich stand allein in der Nacht
und, weil ich stand,
war es keine Nacht mehr

Ich lag mit vielen mitten am Tag
doch, weil ich lag,
war es Nacht und kein Tag mehr.

Und es war meine Entscheidung,
zu lieben oder zu hassen,
zu töten oder leben zu lassen,
zu identifizieren mit der gesamten Menschheit
oder nur mit ausgewählten Rassen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HANAU UND WIR

Schüsse so laut!
Sie gehen der Stadt
unter die Haut!
Mitbürger,
uns vertraut…
Uns von einem Rassisten
in der Nacht geklaut.

Schaut! Schaut! Schaut!
Immer noch keine Polizisten –
Es hat sich leider gestaut
an all ihren Leitungen.
Uns einfachen Zivilisten graut
es davor. Doch rassistische
Strukturen gehören endlich abgebaut!

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DER SELBSTTÄUSCHENDE RASSISMUS

Der Rassismus ist ein blinder Fleck.
Die rassistischsten merken es nicht
oder wollen es nicht merken;
In ihren Schwächen
preisen sie sich ihre Stärken;
Doch erkennen werdet Ihr sie
an ihren Werken:
Fremden weh tun ist versteckt ihr Daseinszweck.
Und das sind die Besten.
Was mag denn stecken in den Resten?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DEUTSCHSEIN UND ICHSEIN

Wie viele Grenzen habe ich überquert
Auf der Zugreise von Frankfurt nach Berlin?
Die Hauptfrage war anfänglich:
Bin ich Deutsch genug, um Mensch sein zu dürfen
Auf deutscher Bühne?
Jeder Frage gebar eine Folgefrage,
Bis am Schluß die Frage lautete:
Ist Deutsch Mensch genug, um mich gewähren zu lassen
Im deutschen Wesen?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DER SCHWARZE DA

Es entgeht mir nicht
wenn auf einem Gesicht
ein blauer Himmel sich
verfinstert plötzlich

Es entgeht mir kaum
wenn in einem Raum
ein blauer See auf einmal
trüb wird und asozial

Denn plötzlich,
als man unter sich
wähnte, steht er da –
Der Schwarze da

Die hohe Rasse ist
doch genauso niedrig, ist
doch genau so blind
und auch noch ein Kind.

Che Chidi Chukwumerije
02.03.2020 (23:05h)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung