HERBSTSINN

Wollen wir älter werden
ohne jung gewesen zu sein?
Wollen wir jung bleiben
ohne reifer zu werden? Nein.

Wir wollen jung sein und alt,
Komplexität haben und Einfalt,
sowohl Haltlosigkeit als auch Halt -
herzenswarm und verstandeskalt.

Denn der Frühling erwacht in uns
Der Sommer ist unser rauschendes Blut
Der Herbst, dichtend, sinnt in uns
Der Winter ist unser werdender Mut.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

APRILMORGEN

Die Sonne scheint
aber die Luft ist eiskalt.
Der Wolken Teint
hat den azuren Himmel bemalt
mit weiß, grau und dunkelgrau.
In grüner Gestalt
stellt sich der Wald zur Schau,
mit hier und da buntem Blumengehalt.
Nur Tiere fehlen irgendwie.
Eine schlichte Einfalt,
eine zarte strenge Harmonie,
durchdringt der Natur Gewalt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

OSTERGLOCKEN

Osterglocken Ende März;
Geist - Seele - Herz -
Freude blüht aus Schmerz.
Empfindung zieht aufwärts.

Osterglocken bald April;
Schwill an, Herz, schwill
an, leuchtend hell und still.
Was der Schöpfer will.

Der Park kühl und trocken;
Vögel, die laut frohlocken.
Im Herz und im Gras hocken
Neue Träume und Osterglocken.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

Park in Vaihingen, bei Stuttgart

PERSÖNLICHKEITSWANDEL

Ist es auch Dir aufgefallen,
daß er ein anderer Mensch geworden ist?
Und sie auch? Ganz egal wer. Bei uns allen
hat jede Persönlichkeitsphase ihre Frist.

Ich hatte in der Zwischenzeit vergessen,
wie das aussieht, weiße Blüten
im kahlen braunen Wald. Unterdessen
schreitet die Natur voran, bereit zum Brüten:

Ein Schopf weißer Haare hier und da
wächst urplötzlich aus kargen Winterästen -
Der Wald fragt den Frühling Bist Du nah?
Ich erkenne Dich nicht mehr im Entferntesten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DER FRÜHLING UND DER SPÄTLING

Der Frühling und der Spätling,
so wird ihnen oft berichtet,
sehen und fühlen sich ähnlich -
einer singt, was der andere dichtet.
Wo unterscheidet sich Gestalt vom Inhalt?
Der eine spiegelt, was der andere malt.
Das Herz bleibt gleich, ob jung oder alt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

HEUTE IST HOFFNUNG

Kommt der Frühling
Vom Norden oder vom Süden?
Das Ende Deines Winterschlafs,
Das ist Dein Frühling.
Kommt Heute
Vom Gestern oder vom Morgen?
Jedes Gestern war mal ein Heute
Jeder Morgen wird einst ein Heute sein.
Keiner besitzt Dich für immer -
Nicht Jahreszeit, nicht Liebe,
Nicht Reichtum, nicht Wissen -
Jeder hat Dich nur heute…
Außer vielleicht Hoffnung
Die Hoffnung hat Dich immer
Heute ist Hoffnung‘s Zuhause.
Die Hoffnung auf eine glücklichere Gesellschaft
Die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft
Die Hoffnung auf Frieden, auf Stimmigkeit, auf Gesellschaft.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

UNBÄNDIG

Lasst Euch nicht fallen -
Wie die Frühlingsblumen, steht auf
Es wartet eine Welt da draussen
Gestern sucht Morgen. Wir sind der Staffellauf.
Laufen wir also. Steht auf, steht auf!
Schaut! Weit in der Ferne und noch weiter
Das sind keine Sterne, das sind wir
In der Zukunft, unbändige Freudenreiter
Die Freuden kommen, wenn wir reiten
Steht auf! Es warten auf uns neue Zeiten
Aufregend. Sie wollen uns dazu anregen
Sie mit Menschlichkeit zu prägen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

JEDES MAL ANDERS

Niemand kehrt aus einer Reise unverändert zurück
Nicht Mann oder Frau, Mädchen oder Jüngling
Nicht Erinnerungen an Glück oder an Unglück
Nicht Gedanken, Versprechen oder ein Beweisstück
Und fürwahr auch nicht der Frühling.

Irgendwas an ihm ist anders dieses Jahr
Er kommt nicht wie sonst wie ein Eindringling
Sondern in kleinen Schüben wächst wie Haar
Reifer, nachdenklicher, wissender. Fürwahr:
Verändert hat sich erneut der Frühling.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WIE FRÜHLING

Ich lasse mich nicht herunterziehen
Wäre ich kein Mensch, wäre ich der Frühling
Täglich mich hochziehen, mich anziehen
Du darfst mir dabei zusehen
In mich hineingehen
Kraft holen, in die Welt hinausziehen
Farbig, färbend, drängend wie Frühling.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MITTAGSPAUSE

Auf die Schnelle
hole ich mir ein Stück Langsamkeit
aus der Mittagspause heraus -
Eine Stunde ausgedehnt durch Insichgehen. 
Ein verinnerlichter Moment
in der Ferne ist wie eine Ewigkeit Zuhaus.

Aus dem Fenster schauend
betrachte ich das Vollenden des Waldes
Belaubung in seiner Unaufhaltsamkeit.
Lang lebe das Wachsen
Lang lebe das Reifen
Lang lebe die Langsamkeit.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung