DAS WESENTLICHE

Papa, Du bist
fast nie Zuhause –
sagte mir heute Morgen mein Sohn.

Aber ich hörte:
Papa, Du bist nie da.

Und ich dachte an die Demos,
dachte an die Arbeit und an die Treffen,
an die Zukunft, die ich ihm bereiten wollte…

Und ich fragte mich:
War es das alles Wert?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

VOR DEM ABENDGEBET

Bevor mein Tag zu Ende geht
Möge er endlich beginnen
Dem Leben gibt es kein Entrinnen
Gegen den Tod allein ist zu gewinnen
Des Wesentlichen, der Liebe, besinnen
Der Zuversicht, der Freude im Innen
Sollst Du Dich, mein Ich, mein Morgengebet.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

SCHWEIGEN

Wie die Bäume
Die alles hören
Sehen und fühlen
Und niemand stören

Habe ich gelernt
Nicht auf alles
Zu antworten

Wie die Bäume
Die als Samen starten
Und langsam wachsam
Während wir warten

Habe ich gelernt
Es gibt nicht für alles
Vorgefertigte Antworten

Manche Fragen sind Samen –
Gebettet am stillen Ort
Zieht sich langsam zusammen
Die richtige Antwort.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

TIEFE TÖNE

Klavier mit sieben Stufen
Menschenleben, Graustufen
Doch: Kommt der Regen, kommt der Regenbogen
Die Sonne allein bringt keinen Segen
Auf den tiefen Tönen sitzt die Melodie
Des Ertragens.

Die Einsamkeit ertragen, egal
Ob Du allein oder zu zweit bist
Wir haben alle die Verbindung verloren
Zum Einzigen, Der Ist.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

TIEFER SCHMERZ

Weil ich gelitten habe
Redet die Nacht, und sachte, mit mir
Und die Nacht wird sachter und sachter
Und sachter immer mehr…

Und dann kommt das Meer
Und sehnt schreiend sich nach Befreiung
Denn ich habe es gefesselt und gefangen
Tief in mir.

– Che Chidi Chukwumerije