Das Licht hat Gewicht ist schlicht ist Gericht ist ein Gedicht. Es ist Einsicht die einbricht. Hab in der Nacht nachgedacht und sah das Licht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
gedicht
DAS ENDE
Der merkwürdigste, sonderbarste Teil eines Gedichts ist jedes Mal sein Ende. Eine Empfindung, die wie ein leiser Pfeil mich ruhig durchdringt wie jene Abende, an denen sinnend sitzend am Fenster daheim ich dem Schweigen lausche - es spricht Bände und wird meinem Herzen den schönsten Reim. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
VERINNERLICHEN
Ich könnte Dir alles sagen Du würdest trotzdem nichts sehen Wo meine Worte fallen im Garten der Ideen Außer Fragen, die klagen im Magen Deshalb sage ich nichts Damit Du in meinem Schweigen mich hörst Denn sollte ich sagen: Du störst Störte ich Dein Verinnerlichen meines Gedichts. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DESHALB GEDICHTE
Mir gehen die leeren Seiten aus, auf die ich meine unzähligen Geschichten schreiben muß, denn mein Licht geht aus. Deshalb verdichte ich sie in Gedichten. Mir werden die Erinnerungen mehr, die Zeit weniger um sie nieder zu schreiben. Irgendwann habe ich keine Zeit mehr für Geschichten, von denen keine zurück bleiben. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ABENDGEDICHT
Die Falten der Bergrücken die ideenreichen Stirnrunzeln einer müden Erde - Die Abendsonne ein Fragezeichen hing wie ein letzter Gedanke. Es werde erst morgen wieder Licht, machst Du aus der Nacht ein Gedicht, spürst Du die Leichtigkeit im Lebensgewicht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
JENSEITS IST DIESSEITS
Ich träumte, ich drehte mich um und sah Dich um mich trauernd, mich vermissend. So fiel es mir ein, oder auf, daß ich Dir wohl irdisch verstorben war und längst beerdigt. Ich mußte es zwischenzeitlich vergessen haben, den Tod und die Beisetzung, denke ich, denn alles, was ich weiß, ist, daß ich hinüber und weiter gegangen bin. Ich, unverändert, und immer noch am Leben. Und lebend sein fühlte sich, wie auf der Erde, so normal an.
Du warst dennoch so weit weg. Doch sah ich Deine Trauer wie eine Kerze im Nachbarhaus auf der anderen Straßenseite unter der Brücke. Und Du warst selbst die stete brennende Kerze. Oh, wie ich Dich trösten wollte… Aber Du hörtest und sahst mich nicht wie früher. Das war‘s, was weh tat.
So entschloss ich mich, Dir ein letztes Gedicht zu schreiben, denn Du warst immer die erste, die meine Gedichte lass, und hast sie immer tief empfunden. Sicherlich würdest Du diese auch empfangen und empfinden, wenn ich sie Dir aus dem Dir Jenseits mir Diesseits sende … oder leise vorlese…, dachte ich, hoffte ich. . Es war mir selbstverständlich aber wissen wusste ich es ehrlich gesagt nicht. Mehr konnte ich aber nicht mehr tun.
Also fing ich an, dieses Gedicht zu schreiben:
Auch wenn Du denkst, ich bin gestorben,
bin ich Dir viel näher, als Du denkst…
Gleichzeitig näher und weiter als Deine Gedanken,
ganz egal, wie wo Du sie hin lenkst…
Ich will aber, daß Du Dich umdrehst
und Dich Deinem Erdenleben voll widmest;
Dein Weg empor in unser Ziel liegt wie Stufen
in jedem Moment, in dem Du irdisch noch atmest.
Und dann wachte ich aus dem Schlaf auf und siehe da, es war ein Traum. Und das Leben fühlt sich, wie immer, normal an, egal in welcher Zeit und in welchem Raum.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GEISTERHAND
Und meine Gedanken waren eine Leinwand
Und ich schaute auf sie und fand
Darauf den Eindruck einer fremden Hand.
War es mein Verstand
Der meinen Geist nicht verstand?
Oder wird jeder Dichter – außer Rand und Band –
Lediglich geführt von Geisterhand?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MEIN ZUHAUSE
Ich stehe häufig unter einem Baume
In einem inneren Bilde
Vor meinem dritten Auge
Vor einer kleinen niedlichen Holzbrücke
Die über einem Bach gebogen liegt
Auf der anderen Seite des Bachs
Steht ein schönes Haus
Ich sehe es nicht, ich spüre es nur.
Da wohne ich –
Der Bach ist die Dichtung
Die Brücke ist meine Sehnsucht
Der Baum ist der Tag, der Augenblick
Und wenn ich die Brücke überquert habe
Und wenn ich das Gedicht geschrieben habe
Gehe ich nach Haus.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
JENSEITS DER GEDICHTE
Ich vermisse Deine Gedichte
Die Nachfrage in mir danach ist groß
Alle Einflussgrößen steigern meine Vorlieben
Die sehnen sich, wie immer, nach Deinem Schoß.
Das wäre’s mit meinem knappen Gedicht heute.
Ich möchte wie Du ohne Worte groß dichten,
Schmerz fühlen tiefer und Freude empfinden
reiner als schreiben, reden oder dichten.
Die innige Tat.
Rege Saat –
Blatt um Blatt um Blatt…
Ich bin noch nicht satt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DIE SEELE ALS GEDICHT
Und auch das Leben hat
aus uns Dichtung gemacht
aus jedem von uns ein Gedicht
in sich verdichtet
nach Innen gerichtet
dazu verpflichtet
in der Unsichtbarkeit
in der Unerreichbarkeit
der Menschheit zu dienen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
