Wir fangen bei jeder neuen Generation wieder von Null an, als hätten wir nicht bereits in der jeweils vorherigen Generation alles gegen Hass getan und seinen Anpassungsanreiz. Sisyphus war kein Mensch, er ist die Menschheitsgeschichte - Die Hartnäckigkeit unserer Tendenz zu reinkarnieren unsere Bösewichte. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Generationen
WIESO DER HASS?
Haben wir Schritte nach Vorne getan
um wieder rückwärts zu stolpern?
Oder sind wir im Kreis euphorisch geirrt?
Die Vergangenheit wartet ein paar
Generationen weiter in der Zukunft auf uns –
Schreiten wir als Gesellschaft vergeblich voran?
Nie sah ich rücklings zeigende Schuhe
bis moderne Füße sich darein steigerten
Eine Gesellschaft verliert sich im alten Nemesis
und verwechselt Gestern mit Morgen
und verwechselt Hassen mit Sorgen –
Ein Hass lang verborgen.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE INNERE GENERATION
Eine Generation wird es hinkriegen,
sich loszulösen von Menschenkriegen.
Eine Generation wird es schaffen,
wie Menschengeister in Frieden zu schaffen.
Und wenn Du tief in Deine Seele hinein blickst
und diese Sehnsucht drinnen wachsen erblickst,
weißt Du, daß Du Teil dieser Generation bist,
egal wo, egal wann, egal wer wie was Du bist.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GENERATIONENTREFF
Jung und alt
machten im Lachen Aufenthalt.
Und so schön war das Lachen und tief,
daß es aus jedem den anderen hervorrief:
die Jungen aus dem Bauch wie reife Geister,
die Alten aufgelöst kindlich und heiter
brachten sie lachend das Leben zum Zusammenhalt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ANGEHALTENER ATEM
Die Bilder, die uns hätten mahnen sollen,
ernteten uns, und siegessicher, Erlahmung
Die Bilder, die uns hätten warnen sollen,
signalisierten stattdessen Entwarnung
Die Bilder,
die uns an vergangenes Übel erinnern sollten,
angeblich wilder,
lenkten uns vom heute begangenen Übel ab,
anscheinend milder.
Doch Fremdenhass kommt heute
niemals angekleidet wie gestorbene Leute –
Er zieht T-Shirts von heute an
sieht cool aus, normal, aufgetan
und tanzt im Club dann und wann.
Hass braucht keinen Grund, zu hassen.
Dein Dasein ist ihm Boden genug.
Generation für Generation wächst seine Ungeduld.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MIGRANTENGENERATIONEN
Erste-Generation-Eltern
gebären Erste-Generation-Kinder
Und diese wiederum Erste-Generation-Kinder
Es dauert lang,
bis die zweite Generation
auf eine erste folgt.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EIGENART MENSCH
An manchen Tagen bin ich zuerst Schwarz
An manchen Tagen bin ich zuerst Mensch
Nicht nur in meinen Augen
Auch in Deinem Kopf
Manchmal muss ich mich fast daran erinnern,
daß Mensch und Schwarz
sich nicht gegenseitig ausschließen –
Schwieriger ist‘s, Dir das klar zu machen.
Guten Morgen Tag, Du bist zu früh gekommen
Ich lebe für Generationen ungeboren
Und säe Samen, deren Früchte die ernten werden,
für die ich bloß ferne Geschichte sein werde.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DU WIRST STRAUCHELN
Halte inne, und sei gewiß
den Fehler Deiner Eltern wirst Du wiederholen
Wissen ist Macht
DIESES Wissen allein wird Dich retten
kurz bevor Du fällst –
Es gibt einen Grund warum
Afrika sich ständig wiederholt
Europa sich ständig wiederholt
Deutschland sich ständig wiederholt
trotz allen Bemühungen zum Anderswerden.
Den Fehler machen die, die ihre Eltern
irrtümlicherweise für ihre Vergangenheit halten,
nicht ahnend: die sind Eure Zukunft
ruhig gärend in Euch wartend –
Nur dieses Wissen wird Euch retten.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ODEM
Als ich im Dunkeln
Dem Atmen meines Sohnes lauschte
Dachte ich an meinen Vater
Der nachts gerne wach lag
Vielleicht saß er auch so neben mir
Und lauschte
Und ich denke an meinen Sohn
Und frage mich, ob er eines Tages
Auch genau so sitzen wird
Dem Atmen seines Kindes in der Nacht
Lauschend und sich dabei wundernd
Ob sein Vater einst auch seinem Atmen
Lauschte in der Nacht.
– Che Chidi Chukwumerije (15.01.2020)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

WENN DU DEN FEIND NICHT KENNST
Wenn Du den Feind nicht kennst
Ermordest Du 5 Millionen Juden
Denkst, es macht alles besser –
Erhöht hat es nur Deine Schulden.
Jahrzehnte später ist nichts besser
Man ist immer noch nicht Weltherrscher.
Wenn Du den Feind nicht kennst
Scheltst Du mich Neger
Deine Selbstjustiz gibt Dir blind Recht
Vielleicht macht das jetzt alles besser –
Morgen begegnet Dir das selbe Land:
Ein Teil der Realität liegt immer in fremder Hand.
Wenn Du den Feind nicht kennst
Rückst Du immer wieder an den Rand
Alle paar Generationen immer wieder.
Doch warum versinkt es jedes Mal in den Sand?
Warum wird es immer noch nicht besser?
Man weiß doch alles besser.
Wenn Du den Feind nicht kennst
Schießt Du auf fremde Schatten
Bringst Dich immer wieder in Erklärungsnot
Der Haß erzeugt die schwächeren Waffen
Wenn Du den Feind nicht kennst,
Den inneren Lichtfeind in Dir selbst.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
