BIS WIR UNS WIEDER BERÜHREN KÖNNEN

Daß ich nun verzichten muß
auf den längst aufblühenden Kuß,
Schatz, trifft mich besonders hart.

Daß ich nicht mehr halten kann
Deine zarte Hand, wie einst fast getan,
Herz, hat eben mein Herz erschwert.

Drum, um so mehr, bitte schenk mir
das innigste wesentlichste Teil von Dir
in jedem Augen-Blick und in jedem Wort.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

LUSTHÄNDE

Meine Hände haben Lust
am Wandern
am Heben und Halten
am Falten, am Entfalten
Unter dem Hautkleid meiner Hände
wohnen je sechs Männer
Meine Hände haben Lust
am Handeln
am Suchen und Entdecken
am Finden und am Verstecken
unter den Deckmantel des Tastsinnes
Sinne ohne gemeinsame Nenner
Streicheln, fausten, schlagen, greifen
reiben, ruhen, glätten, kneifen
beten und bitten und gebieten. Mitreifen,
mitreden, mitfragen, mitbegreifen
Meine Hände haben Lust
am Wundern
am Nehmen und Geben
am Wissen, und am eigenen Leben
Unter der rauen Oberfläche
Lebt ein charaktervoller Wahrheitserkenner.

Che Chidi Chukwumerije (22.02.2020)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
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HÄNDE

Händeringend
Händesingend
Mit unseren Händen reden wir
Mehr als mit jedem anderen Spiegel

Selbstgespräche
Wenn ich runter schaue
Was ich immer sehe: Meine Hände
Meine treuesten Gesprächspartner

Unsere Hände sind unsere Selbstbilder
Sie sind die Teile von uns, die Schilder
Die wir meistens zu Gesicht bekommen

Möchte das Leben uns was aushändigen, sagen
Über uns, dann hat es nur unsere Hände
Als Botschafter. Hand als Leinwand.

Empfindung begreifen wir nicht mehr
Doch unsere Hände greifen danach

Händeringend, händedringend, ohne Weissager
Oder Palmleser. Hände als Bezeichnungspartner

In tausend Selbstgesprächen –

Auf zwei Projektionsflächen.

– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung