ES KOMMT AUF DAS INNENLEBEN AN

Wer lang genug lebt,
hat genug Sommer erlebt
und genug Winter,
um zu wissen, wie ähnlich sie sind,
nur mal kälter mal wärmer der Wind,
doch nicht das Wesen dahinter.

Das Herz wird frieren,
wenn wir Liebe und Hoffnung verlieren
in jeder Jahreszeit.
Und wärmer wird das Herz,
überwindend Einsamkeit, Verlust und Schmerz,
strebt es allezeit
nach Wahrheit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ALS WÄREN SIE FREMDE

Als wären sie Fremde
blicke ich auf vier Menschen zurück,
unterschiedlich wie die vier Jahreszeiten -
jeder von meiner Vergangenheit ein Stück.

Einst kannte ich sie,
heute betrachte ich sie auf alten Bildern
und im Gedächtnis wie verstorbene Freunde -
anders kann ich das nicht schildern.

Wie die Zeit und die Welt
uns unmerklich doch sicher verändern -
Kinder wachsen, Freunde gehen,
wir finden Nähe in entfernten Ländern

und lernen leben als Fremde an deren Rändern.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DER FRÜHLING UND DER SPÄTLING

Der Frühling und der Spätling,
so wird ihnen oft berichtet,
sehen und fühlen sich ähnlich -
einer singt, was der andere dichtet.
Wo unterscheidet sich Gestalt vom Inhalt?
Der eine spiegelt, was der andere malt.
Das Herz bleibt gleich, ob jung oder alt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

NEUE BLÄTTER

Schulter an Schulter
stehen die Bäume
während sie ihren Weg gehen
durch die saisonalen Zeiträume

Und alle Menschen
die an ihnen vorbei gehen
Wie schnell hören sie auf,
wir auf, zu bestehen?

Die Gesellschaft wandelt
doch ihre Wurzeln bleiben bestehen
Die Gesellschaft bleibt unverändert
doch neue Blätter kommen und gehen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DIE SELBEN

Menschen wie die Natur
mit ihren Jahreszeiten
ändern sich

Der selber Mensch morgen ist ein anderer
Weil er derselbe ist.
Auf Sommer folgt nimmer nochmals Sommer
Sondern der schöne bunte kühle Herbst.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ZEITREISEN

Die Natur erzählte mir, daß
sie die Fragen im Winter sammelt
im Frühling vergißt
im Sommer wieder in Erinnerung ruft
und im Herbst beantwortet.

Schweigen ist keine Schwäche
sondern ein Werkzeug
Geduld ist das Licht, in dem
das Unklare langsam klarer wird
Die Zeit ist ein Freund der Wahrheit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung