Es gibt ein anderes Leben, anders als dieses Erdenleben. Manchmal nach dem Lebensende manch unserer guten Freunde, spüren wir, wie deren Geist in eine andere Welt hinein reist; und wir spüren mit, zart und schroff, das Leben in diesem feineren Stoff. Heller, leichter, lebendiger, schneller, unmittelbarer, lebhafter - werdend zunehmend immer beweglicher. Es gibt uns die Gewissheit der Richtigkeit des Empfindungslebens auch zur Erdenzeit; Aufmunterung, nach dem Licht zu streben, Freude versprechend, Zuversicht gebend, wie ein Fenster in ein anderes Leben. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
Jenseits
HERZ ZU HERZ
Komm mir nicht zu nahe um zu hören, was ich flüstere Nähe macht nicht lauter das Helle oder das Düstere eines Menschen Inneren. Allein das Herz entziffert was das Herz leise flüstert. Ich weiß nicht, wo Du jetzt seist Du bist schon so lange fort - Bist auf der Erde oder im Jenseits? Dennoch höre ich Dein jedes Wort in meinem Inneren. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
WAS KOMMT DANACH?
Was kommt danach? Wie sieht es aus? Ich habe es vergessen. Sicher gibt es Seen und Matten und Berge und Bäume und Menschen - Aber gibt es Palmen und Zypressen? Wenn ich mich recht erinnere gab es bei Durst Schönheit zum Trinken, und bei Hunger Wahrheit zum Essen. Ich seh einen Hain und eine Bank, vage, unscharf, aber mich dünkt‘s, ich habe dort schon mal gesessen. Ich sehe auch das Gesicht eines Menschen, er sitzt neben mir. Aber wessen Gesicht ist das? Wessen? Ein guter Freund, ich spüre es. Von vor langer langer Zeit. So lange her, ich kann es mit Verstand nicht messen. Nur seelisch spüren. Ein Ort der Güte, wo die Geister sich gegenseitig nur Gutes aufs Gemüt pressen. Was kommt mir nach der Erde, nach Nigeria und Deutschland, nach Biafra und Lagos und Hessen? Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
JENSEITS IST DIESSEITS
Ich träumte, ich drehte mich um und sah Dich um mich trauernd, mich vermissend. So fiel es mir ein, oder auf, daß ich Dir wohl irdisch verstorben war und längst beerdigt. Ich mußte es zwischenzeitlich vergessen haben, den Tod und die Beisetzung, denke ich, denn alles, was ich weiß, ist, daß ich hinüber und weiter gegangen bin. Ich, unverändert, und immer noch am Leben. Und lebend sein fühlte sich, wie auf der Erde, so normal an.
Du warst dennoch so weit weg. Doch sah ich Deine Trauer wie eine Kerze im Nachbarhaus auf der anderen Straßenseite unter der Brücke. Und Du warst selbst die stete brennende Kerze. Oh, wie ich Dich trösten wollte… Aber Du hörtest und sahst mich nicht wie früher. Das war‘s, was weh tat.
So entschloss ich mich, Dir ein letztes Gedicht zu schreiben, denn Du warst immer die erste, die meine Gedichte lass, und hast sie immer tief empfunden. Sicherlich würdest Du diese auch empfangen und empfinden, wenn ich sie Dir aus dem Dir Jenseits mir Diesseits sende … oder leise vorlese…, dachte ich, hoffte ich. . Es war mir selbstverständlich aber wissen wusste ich es ehrlich gesagt nicht. Mehr konnte ich aber nicht mehr tun.
Also fing ich an, dieses Gedicht zu schreiben:
Auch wenn Du denkst, ich bin gestorben,
bin ich Dir viel näher, als Du denkst…
Gleichzeitig näher und weiter als Deine Gedanken,
ganz egal, wie wo Du sie hin lenkst…
Ich will aber, daß Du Dich umdrehst
und Dich Deinem Erdenleben voll widmest;
Dein Weg empor in unser Ziel liegt wie Stufen
in jedem Moment, in dem Du irdisch noch atmest.
Und dann wachte ich aus dem Schlaf auf und siehe da, es war ein Traum. Und das Leben fühlt sich, wie immer, normal an, egal in welcher Zeit und in welchem Raum.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GEISTER
Geister,
habe ich in Erfahrung gebracht,
sind einsame Menschen,
stecken und gefangen geblieben
jenseits unserer Gemeinsamkeit.
Wie einsam muß es sein
mitten unter Menschen zu leben,
und sie sehen Dich nicht
und sie hören Dich nicht
und sie fühlen Dich nicht…
Ist es nicht besser,
weiter zu gehen?
Ist es nicht manchmal besser,
Dich einfach zu lösen
und Deinen Weg weiter zu gehen?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung


AHNUNG
Irgendwo ist es schöner
Dachte ich mir
Als ich über den schönen Friedhof schritt
Ein Grabmal hübscher als der andere
Neugeschmückt täglich fast mit Blumen
Nein, mit Liebe
Ruhe und Frieden überall
Dennoch spürte ich, tief in mir,
Irgendwo ist es schöner. Viel schöner.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHULDEMPFINDEN
Er ging täglich die Treppe auf und ab
Ein Nachbar sagte, er käme aus dem Grab
Weil er jemandem noch nicht vergab
Ach Quatsch!, er ist aus Fleisch und Blut
Sagte ich überzeugt, es geht ihm gut
Er ist nur Einzelgänger, doch ohne Wut
Ein paar Tage später im Treppenflur
Grüßten wir uns wie immer durch Nicken nur
Von Geisterhaftem an ihm keine Spur
Ich lächelte und gab ihm meine Hand
Er gab mir auch seine, doch es fand
Kein Kontakt statt. Ich traf die Wand!
„Also bist Du doch ein toter Geist!“
„Geist bin ich gewiß, wie Du es heißt,
doch sehr lebendig – wie Dein Auge beweist!
Und Geist bist Du auch, nur hast Du noch
die irdische Hülle, ich nicht, und doch
ringen wir beide unterm selben Joch!“
„Warum kommst immer zu diesen Treppen?“
„Ich möchte den treffen und mich entschuldigen,
den ich mal ermordete auf diesen Treppen.“
– Che Chidi Chukwumerije (17.01.2020)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

REAL GEISTIG
Vor lauter Realpolitik geblendet
Wird die Frage nach der Herkunft
Rückwärts Richtung Vergangenheit angewendet
Anstatt wechselwirkend Richtung Zukunft
Wo ließen Deine Ahnen sich nieder?
Grübelst Du darüber, bis Du verdirbst?
Du kommst von da, wo Du wieder
Hin gehen wirst, wenn Du stirbst
Der Geist wird in der Moderne oft vergessen
In mitten von Nationen, Kulturen und Rassen
Der Verstand ist raumgreifend und alteingesessen
Der Mensch als Geist außen vor gelassen
Vor lauter Realpolitik starr geworden
Suchen wir hartnäckig, uneinig und blind
Unsere Heimat in allem Möglichen auf Erden
Außer in dem, was wir wirklich sind.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
JENSEITS DER GEDANKEN
Deine Gedanken waren
Dir mal fremd
Fremde Gedanken scharen
Sich um Dich –
Schickst Du einen fassbaren
Gedanken Samen aus
Halten sie sich fest und fahren
In Dich ein
Ungehört doch gespürt garen
Sie in Dir
Nehmen Einfluss auf Dein Gebaren
Und weiteres Denken.
Hör auf Dein Herz und Gewissen, Mensch
Tiefer, auf Dein geistiges Lichtempfinden –
Nicht alle Gedanken sind blind zu folgen.
Versuch, die Innere Stimme mit einzubinden.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
TROTZ ENTTÄUSCHUNG WEITERLEBEN
enes Tor in eine verpasste
Und verlorene Möglichkeit…
Eine Chance vertan.
Dann fassten sie Mut
Ertrugen den Schmerz
Drehten sich um
Herz ewig verbunden mit Herz
Und mit Liebe als ewiger Leiter
Gingen sie voller Hoffnung und Sorgen
Jeder mit seinem Leben weiter,
Weiser geworden.
– Che Chidi Chukwumerije
Fortgesetzt in GEFÜHLE
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
