Wollen wir älter werden ohne jung gewesen zu sein? Wollen wir jung bleiben ohne reifer zu werden? Nein. Wir wollen jung sein und alt, Komplexität haben und Einfalt, sowohl Haltlosigkeit als auch Halt - herzenswarm und verstandeskalt. Denn der Frühling erwacht in uns Der Sommer ist unser rauschendes Blut Der Herbst, dichtend, sinnt in uns Der Winter ist unser werdender Mut. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
jung bleiben
ALT WERDEN UND JUNG BLEIBEN
Mein Kopf ist müde und möchte schlafen Mein Geist ist unruhig und möchte aufwachen Mein Kopf will sich einfach nicht mehr aufraffen Mein Geist will rennen erleben, leiden und lachen Mein Körper wird täglich langsamer Mein Geist wird täglich schneller Mein Augenlicht schwindet Meinem Geiste wird alles heller Alt werden ist das Tor zum jung bleiben - Danach ist Davor… schwer mit Worten zu beschreiben. Die Gegenwart will die Ewigkeit einverleiben. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
BESINNE DICH DEINES HERZENS
Wenn alles, wenn alle weg sind, Gesellschaft, Pflichten, Frau und Kind, bleibt von mir und meinen Träumen was übrig? Jugendliche Empfindung, einst quecksilbrig, langsam stumpf gerieben unter Haaren grausilbrig geworden, verweht mit dem Wind. Die Aufgabe des Erwachsenen und des Greisen ist es, die reine und kindliche Klarheit des Kindes und die tiefen Empfindungen des Jugendlichen, der er einst war, nun restlos zu verwirklichen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
JUNG BLEIBEN
Jung bleiben wie jene Erinnerungen der Kindheit, die nicht mit altern, wo Freunde ihr kindliches Lachen heute noch behalten wie am Anfang der Zeit. Freude im Bauch. Bei allem, was kommt, auch Frische einverleiben im Laufe der Zeit Jung bleiben wie die Kindlichkeit. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SEHNSUCHT VERWALTEN
Sehnsucht verwalten unsichtbar
Lachen behalten im Herz unvernichtbar
Vom endgültigen Verzagen unantastbar
Und niemals altern
Verlust ertragen und wieder aufleben
Liebe ver-geben und erneut vergeben
Nach Unerklärlichem lebenslange streben
Und niemals altern
Jede Lebensphase genießen tief
Krabbelnd, träumend, aufrecht und schief –
Binden locker und binden intensiv
Und egal wie das Leben windend verlief…
Niemals altern.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
RÜCKFAHRT AUS TIROL
Der Weg ergibt sich aus dem Nebel
Tirol entkleidet sich schnell
entzieht sich dem feuchten Dunst
zwischen seinen Bergen
gibt den Weg frei, eine lange Schlange
und wendet sich unermüdlich
aus der Feier heraus, zurück ins Alte,
voran ins Neue.
Neben mir ein Fluss, der immer in ist,
nimmer out. Die Sonne erscheint zögernd,
es ist eine Wintersonne.
Langsam fallen die Berge zurück,
die Enge weitet sich, und
es liegt eine offene Welt wieder vor mir…
Mit Heimkehr steigt die Reiselust.
Mit Älterwerden, siehe, die jugendliche Lust.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GRAUE HAARE
All die Jahre waren Haare,
üppig und schön gemacht –
wurden grau und dünn und wenig
und jetzt sind sie weg
Nun steht die Zeit still
wie eine Glatze, widerspiegelt
das endlose Warten auf einen Zug,
der schon abgefahren ist.
Und die stille Zeit
wie die Stille Nacht
wird zum tiefen Meer der Erinnerung
und des Schöpfens ewiger Jugend.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
JÜNGLICH ALTERN
Mein Leben rast mit Geisteseile
durch meine Jahre hindurch
und macht mich älter schneller
als ich es überhaupt fassen kann
Und atemlos, pausenlos, gedankenlos
renne ich ihm hinterher
und versuch, mich länger jünger zu halten
als ich die Jahren überhaupt noch zählen mag.
Doch einer zählt nicht mit
Amüsiert sitzt er auf meinem Rasen
und genießt die wilde Fahrt durchs Leben
und bleibt still und ruhig, mein Geist.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ALTER
Wenn man die Blätter zählt
Die vom Baume gefallen sind
Ist er alt…
Wenn man die Blätter zählt
Die dem Baume am Entsprießen sind
Ist er jung…
Bin ich so alt,
Wie meine Werke hinter mir?
Oder so jung
Wie die Träume in mir?
Was ist die Zeit? Was ist das Alter?
Wann beginnt und endet mein Zeitalter?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
