Ich konnte das nicht verstehen. Ich war 14 und er war 38. Na und? Aber ihm schien das ein bedeutender Unterschied zu sein. Seine Kräfte ließen immer früh nach und ab Mitte der zweiten Runde konnte ich mit ihm machen, was ich wollte. Kopf, Brust, Bauch – meine Füße trafen ihn spielerisch. Er seinerseits traf, wenn er traf, mich niemals an den Kopf; so hoch gingen seine Beine nicht mehr. „Wart ab, bis auch Du mal fast 40 bist, dann wirst Du am eigenen Körper erleben, dass es nicht mehr so leicht ist.“ Jedes mal widersprach ich ihm. „Es ist alles in Deinem Kopf, 40 ist nichts, Du bist nur faul.“ Er schaute mich gütig an und lächelte. Insgeheim brannte ich danach, sofort 38 zu sein, um ihm und den anderen älteren meine „It’s all in your mind“ Theorie zu beweisen. Mit den anderen älteren kämpfte ich sowieso schon längst nicht mehr gerne. An den Tagen, wo keine anderen jungen Kämpfer beim Taekwondo Training waren, mied ich all jene älteren Schwarzgürtler, die ich aus Respektgründen nicht mit voller Kraft treffen konnte, durfte oder wollte, und das waren fast alle. Er dagegen kam irgendwo aus Europa und schmiss Respekt aus dem Fenster, forderte mich heraus, Vollgas zu geben. Das tat ich auch einigermaßen, so lange er mit halten konnte oder wollte – dann war’s mit ihm auch vorbei. Ich war mir mit 14 ganz sicher – mit dem Alter werden die Menschen geistig träge, die Selbstdisziplin lässt nach, mit ihr die Ehrgeiz. Niemals könnte es am Körper liegen. Jetzt bin ich 39 und muß amüsiert öfters an diese Episode zurück denken, immer wenn ich vom Thai Boxing Training im Challenge Club um die Ecke müde und schmerztrunken nach Hause laufe. Die jüngeren unter den Monstern im Club sind zwar keine 14, aber fast alle unter 25, und die hauen wie Blitz und Donner. Ich gebe mir wirklich Mühe aber spätestens in der dritten Runde können sie mit mir machen, was sie wollen. Ich glaube, ich bin faul geworden. 🙂
– Che Chidi Chukwumerije.
Tagebuch 16: SELBSTBILDER
Tagebuch 14: ÜBERALL
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