Wir lagen im Gras und im Gras liegen war das Maß aller Dinge, es war der Sinn des Lebens. Wir, ich und er - der Lebenssinn - waren wie die allerbesten Freunde, nie zu trennen voneinander in Allem, was und wo ich je gewesen bin als Kind - beim Lesen, beim Spielen, beim Essen, Schlafen, Streiten daheim, beim Träumen beim Zimmer aufräumen, beim alles Andere versäumen während ich spielte auf einem Instrument. Alles, was ich tat, war in jenem Moment der Sinn des Lebens für mich, erfüllte mich, machte mich glücklich. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Kind
DORFKIND
Äußerlich Stadt
Innerlich Dorf
Dein Mund lacht mit
Deine Augen sind ruhig beobachtend
So schön die Stadt ist
So gut Du sie trägst wie einen Mantel
Ich sehe es trotzdem
Es hängt über Dir wie eine unsichtbare Sonne
Und leuchtet aus Dir heraus
wie eine unsichtbare Sonne…
rustikal, gesund, stabil, altmodisch –
Das Dorf.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DU-ETT
Wärest Du ein Lied,
wer hätte Dich gesungen?
Wer hätte Dich komponiert?
Wer hätte Dir Deine Melodie abgerungen,
die im Kind als Freude gejubelt,
in der Jugend von Sehnsucht bezwungen,
im Erwachsenen im Kampf gewütet,
im Greisen als Nachdenken ausgeklungen?
Duett.
Du und das Gesetz
der Wechselwirkung.
Euch ist zusammen Dein Lied gelungen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DU WIRST DEINE ERMORDUNG VERGESSEN
Das Ding mit Sterben ist,
daß Du es vergisst –
Irgendwann als Erwachsener
blickst Du suchend zurück
vergeblich nach dem trennenden Moment
zwischen Dir und Deinem Glück.
Dieses Rätsel wird Dich begleiten
den Rest Deines Lebens:
Wie könnte ich so leise sterben
ohne Anzeichen eines Erdbebens?
Wer oder was hat mich wann getötet?
Du suchst die Antwort … vergebens.
Das Kind starb mit seinen Erinnerungen
Der Jugendliche starb mit seinen Idealen
Der Erwachsene bleibt mit seinen Fragen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EIN STINK NORMALER ABEND
Kinderstimmen wie Straßenschilder
Ihr Lachen wie Laternen in der Nacht
Ihre Augen spiegeln vergessene Bilder
aus meiner Vergangenheit aufgewacht
Auch ich habe einst so glücklich gespielt
mit einem Bruder – der lebt nicht mehr.
Im Wirbelsturm der Erinnerung aufgewühlt
wird mir das Schwere leicht und das Leichte schwer.
Der heutige Abend ist so stink normal
Ihr werdet ihn wahrscheinlich vergessen –
Und doch ist Normal dafür ideal,
zu bleiben für immer unvergessen.
Ein Wort wird reichen, oder ein Lied
Ein Lachen, ein Geruch, der Euch mit uns verband –
Nach dem Euer Elternpaar lang verschied
und dieser Alltag für immer verschwand.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AUFGEWÜHLT
Heute bin ich müde
und kann nicht schlafen –
Gestern schlief ich
und war nicht müde.
Heute bin ich reifer
und brauche die Kindlichkeit
Gestern war ich ein Kind
und brauchte mehr Reife
Heute habe ich Essen
doch ich bin nicht mehr hungrig
Jetzt habe ich Durst
denn ich verbrenne innerlich.
Doch ich bin nicht allein
Auch der Planet ist aufgewühlt
und Flüchtlinge irren herum
und die Politik ist verunsichert.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DAS WESENTLICHE
Papa, Du bist
fast nie Zuhause –
sagte mir heute Morgen mein Sohn.
Aber ich hörte:
Papa, Du bist nie da.
Und ich dachte an die Demos,
dachte an die Arbeit und an die Treffen,
an die Zukunft, die ich ihm bereiten wollte…
Und ich fragte mich:
War es das alles Wert?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHUTZLOS
Es waren die Kinder,
die auf den Straßen lagen
und schliefen,
mutterseelenallein…
Nicht die Bomben
Merkwürdigerweise nicht die Toten
Nicht das Blut
riß mir das Herz aus der Brust…
Sondern die müden Kinder
die ihre Eltern nicht mehr finden konnten
und sich auf die Straßen legten
um zu schlafen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
KINDLICH BLEIBEN
Was steht still?
Die Zeit oder die Welt
Oder die Sorge ums Geld?
Das, was ich wirklich will
Steht immer still.
Das Wasser fließt weg
Doch der Fluß ist immer da
Die Jahre fliegen dahin
Doch die Zeit ist immer da
Die ewig geschehende Zeit
Das, was ich einst war
Sind meine Kinder heute
Es bleibt, was es ist
Kindheit, Land des Wachsens
Auch für Erwachsene.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
ELTERLICHE LIEBE
Was ist der Sinn dieses Lebens,
meine Kinder, und meines Strebens?
War alles Sorgen nicht vergebens?
Ich wünsche, ich könnte Euch mehr geben
Mehr Zukunft, mehr Führung, mehr Leben
Mehr Wissen, mehr Schutz, … Alles eben.
Eltern erkennen irgendwann ihre Machtlosigkeit
Alles, was wir Euch geben können, ist die Vergangenheit
Schöne stärkende Erinnerungen für alle Ewigkeit.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung