ES WAR EINMAL EIN KIND

Ich war das Kind, das starb
Weil ein Erwachsener Klugheit erwarb
Die seiner Reinheit Sinn verdarb…

Ich war das Kind, das ertrank
Im Erwachsenen Durst langsam versank
Still liegend unten im Tank

Ich bin die Erinnerung eines Kindes
Ahne ich, doch ich find es
Nirgendwo mehr in mir und indes

Sind mir die Jahre vorbeigeflogen
Der Bogen war grad, der Pfeil ist verbogen
Suchend das tote Kind einst betrogen.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

FLÜGE DES MORGENS

Es war einmal ein guter Morgen
Hell wie Glocken, denn Glocken
Sind glücklich wie ein Kind ohne Sorgen
Der Morgen war das lachende Kind
Der Schöpfung –

Staunend schaute der Morgen
Aus tausend träumenden Augen heraus
Auf Gedanken, die lange verborgen
Im Tal der Nacht sich nach Licht sehnten
Und der Morgen fühlte sich geborgen
Auf den Flügeln seiner eigenen Kindlichkeit –

Und während die Sonne,
Vater des Morgens, stieg und strenger wurde
Und in den Menschenaugen
Der Morgenglanz langsam ersetzt wurde
Durch Menschenblick, seufzte sanft
Und freundlich der träumende Morgen
Ein letztes langes leises Mal
Genoß den Augenblick…
Und ahnte das Ende seines Lebens.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

WACHSCHEINEN

Schaum
Ich fasse in meine Gedankenwelt rein
Raum zum Rumschauen kaum

Schaumbaum
Ich schäume vor Sehnsucht und Traum
Und träume, ich wäre wach

Ich lange sehnend in mein Verlangen rein
Und muß lachen vor lauter Wachscheinen
Und Traumwein. Lachweinen.

Wenn die Gedanken Schaum sind
Ist der Geist im Traum blind?
Erwachsen geworden und kaum Kind mehr.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

ALTE WUNDEN

Mein Gehirn brennt
Die Flammen stammen aus Eltern getrennt
Immer wieder bin ich erneut jenes Kind
Schwach, verwirrt, blind

Herz mit Hoffnung erfüllt
Nicht begreifend warum so laut wird gebrüllt
So oft geweint, so wenig zusammen gelacht
Das Kind hat viel nachgedacht

Antworten nicht gefunden
Hin und her gerissen zwischen zwei Menschen verbunden
Von beiden wurde ihm genug Liebe gegeben
Für zwei Erdenleben

Eins hätte gereicht
Zwei Leben gleichzeitig bedeutet nur Leid
Das lebenslange Suchen nach Stimmigkeit
Ohne ein Verräter zu sein.

– Che Chidi Chukwumerije.
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

INNERLICH WEITER LEBEN

Erst kamen die Blumen
Lächelnde Glocken, spielende Kinder
Mädchen blühen auf
Jungen gehen die Augen auf
Das hier, ist das das Leben?

Dann kam eine stürmische Nacht
Wild tobte es hinter Fenstern
Träumend schwebte es in auftauenden Herzen
Ein gebrochenes Herz sinnt vor sich hin
Das hier, ist das das Lieben?

Dann thronte sich die Sonne, krönte sich der Verstand
Stählerne Augen
Stein entwachsen keine Blumen
Ruhiger Erwachsene, sicher, verschlossen
Das hier, das Leiden!

Enttäuschung – Verstand trifft Empfindung
Nachdenken – Langsam, wie der Abend
Fallen die Nachwirkungen der Schicksalsschläge
Irgendwann fällt mal Wahrheit auf
Das da, das war das Lernen…

Zuletzt nimmt zu der Mond, nicht ab…
Ferne Fragen funkeln wie rufende Geheimnisse, schwache Erinnerungen
Vorstufe einer Rückkehr, sehnende Wiederkehr zu Dir
Nimmt jetzt die Runde wieder ab?
Wie geht es weiter? Immer weiter.

– Che Chidi Chukwumerije.