Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Nebel und dem Fluss Der Main fühlt sich heute ein bißchen so an wie ein Gefühlserguss lässt sich nicht trennen von unserm Sinnen Der Fluss ist da draußen, der Fluss ist hier drinnen Der Herbst ist ein Genuss. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
main
ZÖGERND
Eher zögernd kam
Wieder
Der Frankfurter Schnee
Über
Stadt, Land, Fluss
und Liebe
Zuckte kurz, nicht mal heftig
Einmal, zweimal, scheu, bedächtig
Auch eine zarte Liebesbekenntnis
verschwindet niemals aus dem Gedächtnis.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EISERNERSTEG
Zwischen Dribbdebach und Hibbdebach In der dunklen Nacht, offen, hellwach Meine 2 Seiten, ich sehne mich danach.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EISERNERSTEG: Ein Gedicht für Frankfurter.
FRANKFURT AM MAIN
Ich höre Dich wenn ich aus dem Fenster rausrieche spüre Deine Gedanken Gefühle in den Augen fremder Menschen auf Deinen Gassen immer rufst Du mich bist verlangend bist besitzergreifend eine zweite Stimme in meinem Kopf wenn ich nachts im Bett liege denke ich denke nichts fühle ich fühle etwas weiß nicht was empfinde Dich mein gewordenes Zuhause. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FAST IMMER ALLEIN
Jeder ist fast immer allein
in fast jeder Menge –
Gleichart ist fast nur Schein.
Abendliche Spaziergänge
am uralten Main –
… gezogen in die Länge.
In die Ferne in den Rhein.
Hinter mir Glockenklänge –
Tiefsinnig ist das Menschensein.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
NIMM HIN, WAS KOMMT
Eigentlich wollte er Flugzeuge fliegen
stramm verpackt im geflügelten Anzug
gegen die Schwerkraft null wiegen
Doch er sitzt am Main heute
spielt Gitarre, die Leute bleiben stehen
schenken ihm Münzen und Freude
Eigentlich wollte ich in den Wald gehen
ein Baum unter Brüderbäumen
die mir lauschen und mich verstehen
Doch meine Beine lenkten mich zum Fluss
und ich stand mit den anderen Zuhörern
und schwelgte im Genuss.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FRANKFURT
Lang trug ich meine Heimat
wie eine ungeöffnete Reisetasche
auf meinem Rücken
Unbequem und unbequem machend
Stach ich in jeder Menschenmenge heraus
Denn ich wollte mich nie bücken
Schmerz ist ein Auseinandersetzen mit Freude
Einsamkeit ein Ringen mit Gesellschaft
Davor kann sich kein Ankömmling drücken
Doch auch die Morgendämmerung kommt irgendwann an
und die Stadt, die Dir einst so schwer war,
wird Dich zum Schluß beglücken.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AM LOKALBAHNHOF
Straßenlieder
Er pennt nicht, er schläft
Neben dem Fahrkartenautomat
Seine sind Augen eines Denkers
Aber er schaut nicht zurück
Nein, die sind Augen eines Nachdenkers
Die blicken nur zurück, nicht mehr
Nach Vorn.
Wie schützt er die Matratze, wenn es regnet?
Er wohnt hier schon seit Monaten –
Wann kauft auch er sich eine neue Fahrkarte
Und steigt wieder ein?
– Che Chidi Chukwumerije.
BRUCHTEIL
Gestern zum ersten Mal seit langem
Fuhr ich wieder im Stau den Main entlang
Ein azursanfter Morgen ende Januar, langsam
Es erwachte innig in mir ja das Verlangen
Nach irgendetwas dadraußen
Dann kam, plötzlich, der Schnee
Und ich begriff, ne…, ich habe Fernweh
Und fühlte mich in diesem Wissen Zuhause.
Das sind die Momente, in denen ich zu mir sag
Und tausend Jahre sind wie ein Tag.
Doch bald kam Grün, ich fuhr weiter
Dieses Gedicht unvollendet leider
Zurück gelassen in jenem Moment
Im Stau des Lebens, Licht am Horizont.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jar der deutschen Dichtung
AM MAIN
Ich verschwinde manchmal
In meine schwimmende Reflektion
Mein ungewisses Mahnmal
Aufs Neue lallend Denk mal
Am Wasser neige ich zur Konfession.
Ich bin dann fremder Gast
In meiner eigenen Seele
Andere Passanten ahnen fast
Den schweren Strom der Last
Der gewürgten Beichte in meiner Kehle.
Aufschauend durch die Flusswellen dieses Gewichtes
Empfange ich die gebrochenen Strahlen des Lichtes
Empfange ich die gebrochenen Strahlen des Lichtes.
– Che Chidi Chukwumerije.

