MANN UND SCHMERZ

Wie viel Schmerz kannst Du ertragen
bevor Du ihn nicht mehr ertragen kannst?

Wie viel Schmerz kannst Du ertragen
bevor er Dich nicht mehr ertragen kann
und Dich weiter ziehen lässt?

Du bist stärker als sie es der Welt sagen -
Schmerz erprobt und winterfest!
Du kannst weit mehr Schmerz ertragen,
als Du es mit Worten erklären kannst.

Denn Du bist ein Mann.

Che Chidi Chukwumerije
Poems from the inner river

MÄNNLICH IST NICHT WEIBLICH

Mann oder Frau?
Männlich oder weiblich.
Es gibt eine Sensibilität der Empfindung
Es gibt eine Tiefe der Erinnerung
Es gibt eine Genauigkeit der Wahrheitserkennung
Es gibt eine Intensität der Gewissensfühlung
Es gibt einen Grad der Gottesverbindung
Es gibt eine Feinheit der Schönheitsgestaltung
Es gibt ein Zuhause, eine Ruhe, ein Heil,
Zu deren Erreichung, das was zählt,
Mir als Mann der weibliche Anteil
Innen fehlt.
Männlich ist nicht weiblich
Und Mann ist nicht Frau.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

VÄTER WERDEN VON VÄTERN ERZOGEN

Väter werden von Vätern erzogen.
Ganz bewusst habe ich nicht gesagt:
Söhne werden von Vätern erzogen –
Das geschieht sowieso ungesagt.

Als ich Vater wurde war er schon in mir
Längst vorbereitet von meinem vor mir –
Wer Tugenden und Werte weiter pflanzt,
Hat die Kultur der Weiterpflanzung weitergepflanzt.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

MÄNNERRUNDE

Männerrunde
Geleugnete Wunde
Ursünde
Erbsünde

Starksein
Schwächlein
Lachwein
Denk klein

Gesellschaft
Stärke und Kraft
Rauh, lebhaft
Großes geschafft!

Und ab und zu
In Momenten der Ruh’
Ich gebe zu:
Bin so einsam wie Du.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Jahr der deutschen Dichtung

UNVOLLENDET, MANN

Stark sein müssen
Ist des Mannes Fluch
Wer verzeiht denn dem schwachen Mann,
Der scheitert trotz mehrmaligem Versuch?

Sein Stolz tötet ihn doppelt
Und als wäre das nicht genug
Die Erwartungen der Gesellschaft
Schleppt er mit im Zug

Ich halte hier inne –
In seiner Dunkelkammer drinne
Sieht er alles Negative in einem anderen Sinne…

Aber er kann es keinem erklären
Ohne wie ein Bettler zu erscheinen
Er ist ein Mann, er muß weiter laufen
Und sterben auf seinen zwei Beinen.

– Che Chidi Chukwumerije

2019: Mein Jahr der deutschen Dichtung
Ganz nebenbei, falls es jemanden interessiert oder einer sich fragt, was ich da so tue: Ich werde dieses Jahr täglich auf Deutsch dichten und auch posten in meinem Blog http://www.chechidi.me und auf Facebook und an anderen Stellen vielleicht auch. Wer will, darf gerne kommentieren, bewerten, sogar Wünsche äußern. Der Grund, warum ich das tue, ist ganz einfach. Es fließt gerade.

DIE ZUKUNFT IST WEIBLICH?

Es ist nicht leicht, hört man häufig, ein Mann zu sein heutzutage. Der Mann muß sich neu klären, um innerlich in die Lage zu kommen, seine Art, Fähigkeiten und Kräfte unter den Bedingungen der modernen Menschenart zum Einsatz ganz bringen zu können, ohne verroht zu wirken. Der Klärungs- und Umwandlungsvorgang bedingt das sich Auseinandersetzen mit der Frage, als Mann: was bin ich? Dieses sich Auseinandersetzen mit dieser Thematik soll ein lebendiges sein, im Erleben und in der Selbstreflexion im Licht der Wahrnehmung der eigenen Art des Handelns, Seins, Denkens, Empfindens und Reagierens im Erleben selbst. Es geht darum, die Männlichkeit irgendwie wieder und ganz zur Geltung zu bringen. Denn vorgeschlagen in dieser Frage ist die Andeutung, daß die Männlichkeit in bisheriger Form keinen Wirkungskontext in der modernen und in der kommenden Gesellschaft mehr hat.

Was ist jedoch Männlichkeit? Das Innehaben von Führungspositionen war von jeher für die Männlichkeit ein selbstverständliches Bestandteil seines Selbst, Selbstbilds und Wirkens. Genau aus diesem Grund kommt vielleicht ein Teil der heutigen Männlichkeit kaum klar mit den Formen der tragenden Strukturen der jetzigen Gesellschaft, die nicht nur zulassen, daß die Weiblichkeit in großen Zahlen an Führungsinstrumenten und Machtpositionen gelangen, sondern dies zum Teil sogar bedingen und unausweichlich machen. Je mehr immer höheren Gipfeln der Zivilisation, der Technik und der Sozialwissenschaft zugestrebt werden, desto mehr wird Platz für die Frau – für das Weibliche – geschaffen, nicht nur neben, sondern auch teilweise vor dem Mann. Denn das Hauptwerkzeug, mit dem in der Vergangenheit genau dieses stets verhindert werden konnte – die brutale rohe körperliche Gewalt, wenn auch nur als Andeutung in der Kultur zusammenhängend – gilt nicht mehr als zugelassenes Mittel in diesem Kontext.

Jetzt gilt es also, Mann zu sein ohne den mit direkter oder angedrohter Gewalt unterstutzten Anspruch auf Führung mit in die Waagschale zu werfen. Jetzt gilt es also, das ursprüngliche Selbstbild des verklärten ideal-sein-wollenden Mannes zu erfüllen, “Ritter” zu werden. Jetzt gilt es also, mit der Macht des innewohnenden Geisteswesens männliche Kraft zum Zwecke der Beschützung und der Raumschaffung für das Gedeihen des Ganzen, sowie seiner Weiterentwicklung, einzusetzen. Beherrschung transformiert sich und hebt sich auf die Ebene der Selbstbeherrschung; und Druck ausüben reift zum “Sich zum Ausdruck” bringen. Unterdrückung weicht dem gegenseitigen kritischen Erleben von einander. Das Formnehmen und Inhaltgeben dieses Grads der Zivilisation zu ermöglichen, zu begleiten und zu beschützen, ist als Herausforderung der höchsten Gewaltpotenz der Männlichkeit ebenbürtig und ist deshalb der Versuch wert.

Die Frage nach den Wirkungswesen und Wirkungsformen des modernen Mannes läuft einer anderen Überlegung vorbeugen wollend, ungültig machen wollend, voraus. Die Überlegung, ob es überhaupt noch Platz gibt für die Männlichkeit, vor allem in bisheriger Zusammensetzung, in der sich heranreifenden Zivilisation. Ob also das Zeitalter der männlichen Vorherrschaft langsam abgebaut wird und ersetzt durch eine Neuzeit der bestimmenden Wirkung weiblicher Führung. Als vor einigen Jahren FIFA mit dem Slogan kam – “Die Zukunft des Fußballs ist weiblich” – wurde, ob bewußt oder nicht, das angenommene Versetzen eines globalen Paradigmen lokal angepfiffen. So was löst in manch einem männlichen Bewußtsein, gefesselt durch subtile Ketten, einen Zustand aus, der von einigen als Krise wahrgenommen, jedoch von anderen als Anregung zur Neudefinierung von Männlichkeit und von Begriffen wie männlicher Stärke angenommen wird.

Denn – und auch diese Frage lässt sich stellen: Was ist wenn die Zukunft des (Fußb)Alls auch gar nicht weiblich an sich ist… sondern einfach menschlich?