Das Warten ist der schwierigste Teil, das lange Warten bis Du jemanden durchblickt hast. Und Du musst geduldig warten, weil seine Maske lebendig ist und Dir genau angepasst. Lange musst Du schweigen und zuhören, innerlich schweigen, und nicht stören, bis Du seine wahre Natur erfasst. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
Masken
DAS ÄUSSERE
Etliche Nationalitäten liefen nebeneinander auf der Straße. Keine dachte von einer anderen: „Hier ist jemand, den ich eigentlich haße.“ Sie merkten nicht mal ihre Verschiedenheiten Weil sie sich äusserlich ähnelten. Keine spürte ihre Einsamkeit Wo Einsamkeit und Einsamkeit sich spiegelten. So stark ist die Macht der Oberfläche Die Oberflächlichkeit ist zugleich unsere größte Stärke und größte Schwäche. In unserer Armut sind wir reich. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
INNEN LEBEN AUSSEN
Obwohl es Innenleben heißt zeigt es sich in den äußeren Zügen unserer Gesichter. Der Geist drückt, der Körper muss sich fügen. Wie viele Lächeln versuchen vergeblich eine verwelkte Blume zu begraben? So viele Küsse sind einvernehmlich aber die Liebe ist selten leicht zu haben. Ich sehe Dich und umarme Dich ohne Dich anzuschauen oder anzufassen Wir umarmen uns inniglich ohne uns zu lieben oder lieben zu lassen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE MASKEN WERDEN ECHTER
Die Masken werden echter, dichter, versteckter, sitzen aufrechter als die echten Gesichter. Sie reden klug, sind keine Schwätzer, sie merken, ich werde geschwächter, sie lächeln nett doch ich höre Gelächter - Die Masken sind keine Fratzen mehr, schlechter noch: sie sind das schöne Gesicht unserer Geschlechter. Versteck Dein wahres Gesicht nicht mehr - alle halten Dich eh trotzdem für ein Maskierter. Deine Ehrlichkeit wird Dir Dein bester Wächter. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
BEI KAFFEE UND KUCHEN
Ich kann während eines Gesprächs mit Dir Tausendmal meine tiefsten Innenorte besuchen - Dabei sprachen wir äußerlich über das Wetter Lobten den Kaffee und kritisierten den Kuchen. Und auch Du machst das - leugne es nicht. Unmerklich tauchst Du in Dir ständig ab und auf Immer und immer und immer wieder Und erzählst nebenbei vom gestrigen Auflauf. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MEINE MASKEN
Mein Herz genanntes Erz
Mein Stärke genannter Schmerz
Mein Ernst genannter Scherz
Meine Schweigen genannte Terz.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
HINTER MENSCHEN
Die Erde dachte, sie kannte den Tag, bis er sich verwandelte und wurde zur Nacht. Die Erde dachte, sie kannte die Nacht, bis sie sich änderte und wurde zum Tag. Kennen ist in der Gegenwart leben; Vertrauen ist in der Gegenwart geben; Lieben ist in der Gegenwart beben; Die Zukunft ist ein geschlossenes Buch. Ein Mensch ist mehrere Masken und jede Maske davon ist ein Mensch. Ein anderer Mensch. Nicht nur die Toten geistern herum unter einem Tuch. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EREIGNISHORIZONT
Manche ziehen die Masken schon runter Andere haben sie noch an Beide zeigen ihr wahres Gesicht Maskenträger gibt es keine mehr Faktenchecker noch weniger Wahrhaftige und Fake sind beide echt. Nur die eigene Wahrheit fällt nun ins Gewicht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
OHNE FILTER
Zeig mir Dein Gesicht ohne Filter. Der wärmste Filter ist trotzdem kälter. Je sanfter, weicher, glatter, desto rauher und älter. Je glänzender, desto matter, je perfekter, desto entstellter. Zeig mir das Unvollkommene in Dir, Du und ich wissen ganz genau: Das ist das Perfekteste in Dir. Das Echte ist das Beste an einer Frau. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
UNTERBELICHTUNG
Überbelichtung. Die ganze Welt wohnt im Netz Minus die ganze Welt Ich suche nach dem passenden Filter um die Mitmenschen auf der Straße klarer zu sehen. Verdunkelt. Erhellt. Doch sie sind zu wie Bücher Und zugänglich wie Bücher Anders ehrlich, anders verstellt. Wer ist der echte Mensch? Analog Oder digital? - Es kommt darauf an Welche Maske, Dir besser gefällt. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
