WONNENBRAND

Manchmal willst Du ein Gedicht
weiter schreiben,
doch es ist schon zu Ende -
Du warst nur der Kugelschreiber,
niemals selbst der Schreiber.
Du spürst an Dir fremde Hände

doch die Berührung ist intim
und der Griff ist Dir wohlbekannt.
Ohne Vorwand
nimmt er Dich ganz in Besitz
und befreit Deine Sehnsucht
ihres letzten gedanklichen Gewand.

Und jetzt würdest Du so gerne
weiter machen,
doch der Höhepunkt der Wonnenbrände
wurde schon überschritten,
überschrieben.
Dreh Dich sanft um. Seitenwende.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WENDEPUNKT

Ich bin am Ende
Ich kann nicht mehr

Ich bin am Anfang…

Ich will mehr

Ich bin in der Mitte
Zwischen Leer und Mehr

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MEHR ALS ALLES

Hab alles gegeben
Bin nichts mehr
Habe nichts mehr
Kann nicht mehr
Will nicht mehr

Übrig geblieben
ist das, was ich wirklich bin.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DES LEBENS GEDICHT

Alles, aber auch nur alles
Alles, was Du Dir nur vorstellen kannst –
Alles, aber wirklich alles
Alles, was Du weißt und denkst und ahnst
Und denkst, daß Du kannst,
Unscheinbares und Monumentales
Alles, was Dir je einfallen könnte,
In tausend Jahren noch einfallen wird,
Auf Deinen Wissensberg sich noch thrönte,
Mit neuen Erkenntnissen Dich krönte,
Alles, was Dir Weisheit beschert
Und Dich Neues immer wieder aufs Neue belehrt,
Alles, was Du Dir gönntest und mehr
Alles, was Du einst hattest und findest aber nimmermehr
Jede Grenze, jeder Gipfel, jeder Endpunkt
Jeder Traum, der schimmert und prunkt
Und näher rückt, ewig näher und näher,
Jede ewige Idee, die noch funkt,
Alles Streben und alles Erreichen
Und alles Ankommen und weiter hoffen –
Entrungenes aller ent-inkarnierten Leichen
Und deren Zeiten, einst; alle Möglichkeiten noch offen,
Alles kann und wird übertroffen.

Der Du heute bist
Wirst Du nimmer wieder werden
Auf dieser reisenden Erden –
Kurz ist die große Frist
Denn es gibt immer Höheres im Lebensgetriebe
Übertroffen wird alles, nur eines nicht
Und das ist die einfache wahre Liebe,
Des Lebens ewiges Gedicht.

– Che Chidi Chukwumerije.

MEHR

Tragweite deiner Entscheidung, deiner Sehnsucht
Dieses Sehnen, geht es um Sehn oder um Suchn?

Wie weit tragen sie die Flügel eines Schmetterlings?
Unvergleichbar den Schwingen des Adlers
Dennoch be-trügen sie mich weiter

Alles Starke, was ich an mir trug
Jegliche Weitsicht, und stolze Männlichkeit
Zart spielerisch machte sie alles zu Nichte

Dann trug sie mich weiter, und ich sah, ohne Worte
Was sie mir die ganze Zeit nicht sagen konnte
Nicht mal mit ihren zartesten Zeilen

Unberührt ist auch berührt.

– Che Chidi Chukwumerije.