SCHWER GENUG FÜR MEIN GEWISSEN

Und wenn ich singe
höre ich Schmetterlinge
aber ich sehe sie nicht
Ich fühle ein helles Gewicht
schwer genug für mein Gewissen
hin und her ungerissen
Die Nacht ist sacht
Das Lächeln lacht
Mein zweites Ich erwacht.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

RADIO

Ich kann meine innere Stimme nicht hören
Das Radio läuft im Uber, Killing Me Softly
tötet mich laut. Ich will mich nicht empören
Die Musik verführt mich wie sanfte Schorle
Fahren ist schön, fahren lassen aber auch
Nehmen berauscht, nehmen lassen auch
Gesellschaft ist schön, aber Alleinsein auch.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

UNSRE KLEINE NACHTMUSIK

Wenn wir wollen,
können wir, sollen
wir stöhnend in Mollen
Liebe machen.

Schlafen und aufwachen
und weitermachen und lachen,
in unsrer Nachtmusik verschollen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHLAFLEID

Ob heute Nacht
unter einer Brücke
ein Obdachloser Sehnsucht
nach einem altgeliebten Lied verspürt
und es nur in seinem Gedächtnis
wieder hören kann, denn er hat weder
Handy noch Musikspieler noch Internet,
und er wird nostalgisch, dann traurig,
dann unruhig, nimmt seine sieben Sachen
und sucht sich einen Bahnhof
unter der Erde und dort
auf einer Bank unter dem grellen Licht
hüllt sich in einem dunklen Schlafsack – und schläft – ein…

Ob er, bevor er einschläft,
in seinem Kokon wie eine Raupe,
sein altgeliebtes Lied zu sich singt
und an einen Schmetterling denkt?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ICH SAH MICH ZWEIMAL

Ich lief im Dunkeln, im Dämmern
und sah mich zweimal
Einmal auf, einmal neben
der Straße ohne Erinnerung

Dann lief ein Mann auf mich zu
lächelte und führte mich zurück
zu seinem Cajon wo es auf der Schwelle heller war
Er fing an, spielend ein Lied weiter zu singen

Ich blieb zweimal stehen
Einmal auf der Brücke
Einmal neben der Brücke
Ich hörte, genoss und verinnerlichte seine Musik

Dann bin ich aufgewacht aus dem Traum
Das Lied spielte weiter in meinem Kopf
als wäre es meins und ich frage mich,
Habe ich dieses Lied jetzt komponiert oder nicht?

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DU MUSIK

Nun sind wir hier wieder,
nach schmerzvoller und langer Trennung
- doch nicht Du hast Dich verändert,
sondern ich. Und prompt in meiner Erinnerung
traf ich wieder Deine philosophischen Lieder.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

LIEBE, LITERATUR UND MUSIK

Wir sind eins
mit und ohne Ring
- seit dem es mit uns anfing.
Und das ist ein Ding.

Erlaub mir, verzeih mir
die Einfachheit meiner Ausdrucksweise
wenn ich wörtlich Dich verspeise
enger und enger Dein Geheimnis umkreise
unsere Komplexität lobpreise.

Immer wenn der Tod nah ist
wird mir alles, alles, unwichtig
außer Liebe, Literatur und Musik.

CHE CHIDI Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

DIE MUSIK DER INNEREN FREIHEIT

Ich habe immer gesagt,
Musik ist redegewandt und hat
viel zu sagen, wenn ihr alle Knebel
alle Fesseln genommen werden
Wie jeder Mensch ändert sie schön
ändert sie oft und plötzlich ihre Meinung
wechselt das Thema nach Belieben
unter dem Druck ihrer Empfindungsvielfalt…
ohne ihr Ziel aus den Augen zu verlieren.
Ich mag es am meisten, wenn sie…

… plötzlich …inne… hält…
und einen neuen Gedanken nachdenklich
betrachtet… sie dreht ihn hin und her…
Wie ein Mensch, wie ein selbstbewusstes
intelligentes Lebewesen es tun würde –
Denn sie lebt. Musik, Du lebst auch.
Du erinnerst mich an das Kind, das einst
in mir lebte und tausend Wege täglich ging,
spielerisch, intuitiv, intelligent, neugierig,
und sein Ziel nie aus den Augen verlor.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

Dieses Gedicht wurde inspiriert von Stefan Kraus’ Inception.
INCEPTION ist ein Musikstück, das von Stefan Kraus komponiert und von Alejandro Mejía Sánchez auf Gitarre gespielt wurde. Stefan Kraus‘s Blogeintrag über seine wunderbare Komposition kann HIER gelesen werden. Oder hier: https://laforgesita.wordpress.com/2022/07/25/alles-auf-anfang/

Und das Musikstück selbst ist HIER in YouTube direkt hörbar. Oder hier:

Einen großen Dank von mir an Stefan – und an Alejandro.

DER KUNSTGEIST VERBINDET DIE MENSCHHEIT

Der Kunstgeist verbindet die Menschheit.
Wir haben eine Geheimsprache.
Sonderbar, eine uralte Geheimwaffe.
Kommt: Wir üben jetzt damit Rache:

Gegen alle, die uns voneinander trennten,
einfach nur weil unsere Gleichart
tiefer liegt als alles, was sie begreifen konnten –
Wir aktivieren jetzt auch ihren inneren Part.

Wie muß es sich anfühlen,
plötzlich eine Fremdsprache zu verstehen?
Desorientierend? Beruhigend?
Der Kunstgeist will den Zeitgeist umdrehen.

Die Schönheit um der Schönheit willen.
Gemüt. Die Sprache des Menschengeistes.
Innere Stimme über äußerem Gewinnen.
Unsere Verbindung beweist es.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

IHRE SCHÖNSTEN GEFÜHLE

Ob eine Gitarre Gefühle hat?
Sie liegt da, geräuschlos in Lederhülle,
kein Säuseln, kein Wispern, kein Laut
bis ich sie ausziehe und berühre –
Sie mag die unruhigen Finger am besten,
sie wird richtig laut.

Manchmal lasse ich sie wochenlang unberührt
und frage mich: Was denkt sie dabei?
Vielleicht denkt sie nichts
Denn es ist egal, wer sie berührt;
Wer sie richtig berührt, der entlockt ihr
ihre schönsten Lauten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung