Mein Herz hört nicht auf zu bluten - und das fühlt sich so schön an - und meinen Kopf mit Gedanken zu fluten; oh Liebe, was o was hab ich Dir angetan? Du suchst mich wuchtig und gewaltig heim, zerreißt und zerfleischst mein Herz leise… erstickst jede versuchte Flucht im Keim, behältst mich als Dichter auf dieser Weise. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
poesie
ALLES POESIE
Poesie ist Leben. Ist Streben und dabei weben. Ist Geben, alles geben. Und ist Loslassen und vergeben. Poesie ist Lieben. Ist in einander schieben Getrieben Und sich gegenseitig sieben. Poesie ist Leiden. Ist Oberflächlichkeit vermeiden. Schwerter in Scheiden oder Seiden verkleidet sind unruhig in beiden. Poesie ist vieles, alles fast. Alles, was Du einst erlebt hast, verdichtet, in einem Satz erfasst, und es fällt von Dir ab wie eine Last. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
IHRE KUNST IST LIEBE
Jenseits von Poesie traf ich sie Kein Gedicht so klar wie ihr Gesicht Neben dem Fluss fasste sie Fuß Zog mich heraus zu sich nach Haus Sie schrieb keine Lyrik und war nie schwierig Ein Blick versiegelte unser Geschick Ihre Poesie ist Treue Ich bereue daß es so lang brauchte bis ich ihr Schweigen durchschaute. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MICH GAB ES SCHON
Mich gab es schon seit langem Nicht alles Wesentliche ist laut Nicht alles Laute ist wirklich da Unter Schwarzer oder Weißer Haut Nicht alles Lebendige ist sichtbar Nicht alles Sichtbare ist echt Mich gab es schon seit langem Unsichtbare Haut ist nicht immer schlecht Jetzt seht Ihr mich, jetzt seht Ihr mich nicht Ein Deutscher mit fremdem Gesicht Ein Fremder mit deutschem Gedicht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SCHNELL
Kaum bewegen sich meine Gedanken
In unserem Lieblingsspiel
Da kommst Du schon
Sehr schnell
Poesie.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
WENN MUSEN SCHMUSEN
Ein Gedicht macht besonders Spaß wenn es am Anfang ein Gespräch war das kippte und sich selbst vergaß berührte sich intim, spannend, gebar eine Gedankenexplosion in Übermaß wo jeder Satz eine Überraschung war die, flüchtig, Poesie besaß. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DICHTERHERZ
Ein Kind ging im Wald spazieren und merkte irgendwann die Schönheit der Steine überall; sie zogen ihn in ihren Bann. Er nahm einen Stein in die Hand, drückte ihn gegen sein Gesicht; der Stein schien plötzlich zu reden, erzählte dem Kind ein Gedicht. Und jeder Stein, den er nahm, erzählte ihm sein eigenes Poem, drang tief in das kindliche Herz ein, hauchte ihm ein sein Zauberodem. So sammelte es jahrelang Steine, trug sie aus dem Wald hinaus - und aus allen diesen Dichtungssteinen baute es sich ein Haus. Das Kind wurde erwachsen, der Erwachsene lebte und starb und nach einer langen langen Zeit wieder auf der Erde geboren ward. Und wuchs und spielte und suchte und strebte und wusste nicht: es wohnte tief in seinem Herzen für jeden Tag ein Gedicht. Bis eines Tages die Liebe, an einem anderen Tag der Verlust, dann Verrat, Sehnsucht, Sünde, Reue sprengten das Herz in seiner Brust. So fand er in seinem Schmerz, daß tief in seinem Geiste sein Herz war felsenfest und stark, egal wie tief er hinein reiste. So reiste er weiter durch den Wald in seiner Seele und fand eines Tages einen Garten dadrinnen, in dessen Mitte ein Haus stand. „Zuhause!“ wusste er wieder, denn es war tief und es war schlicht Und nun hat er wieder, glückliches Kind, für jeden Tag ein Gedicht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FERNE SIRENEN
In der Dichtung wirkt Magie, denn kindliche Poesie umgeht die schwer analysierende Energie kopfgenagelter Akademie, die zersägt und verdreht. Klug. Die Menschheit ist so klug. Zu klug für Einfachheit. Der Verstand ist sich selbst genug, doch niemals genug für den Höhenflug innig feinster Innerlichkeit. Manchmal nach beendetem Gedicht starre ich aus dem Fenster. Heute sehe ich Toronto‘s Gesicht, leise Hochhäuser im milden Sonnenlicht und ferne Sirenen wie Gespenster. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
KÜSSE DIE MUSE
Heute bist Du früh gekommen,
schnell genommen hast mich,
benommen ließt mich nach Worten greifend,
das in mir entfachte Gedicht nicht begreifend.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
HÖCHSTSPANNUNGSLEITER
Heute bist Du meine Muse
Die Ungereimtheiten in Dir
Die Uneinigkeit zwischen Deinem Kopf
und Deinem Herzen ist die schönste Spannung
die ich je gespürt habe –
sie ist eine Hochspannungsleiter,
durchströmt mich mit einem bebenden Warten
auf Entladung –
Danke für die Einladung.
Ladestation: Mensch. Sehnender Mensch.
Zu wissen, ich labe mich an Deiner Wunde
und das Laben reinigt die Wunde –
Herz und Kopf versöhnen sich…
Die Spannung läßt nach…
Die Wunde schließt sich.
Eine Weile muss nun ich entbehren, leiden –
Mein Durst wird wieder reif, dürstet…
Und wenn ich Dich dürstenden Auges anschaue
werden Dir Kopf und Herz wieder uneinig,
die spendende Spannung ist wieder da.
Hallo, Muse.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
