Irgendwann gibst Du auf und lässt den Herbst herein; Altern gehört zum Lebenslauf, Reifen zum erfüllten Sein. Die Blätter lassen die Farben los, eine nach der anderen; Die Bäume lassen die Blätter los, die faden und die bunteren. Die Menschen lassen die Menschen los, um ihre Wege weiter zu gehen; Die Menschen lassen die Menschen los bis auf Wiedersehen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
reifer werden
HERBSTSINN
Wollen wir älter werden ohne jung gewesen zu sein? Wollen wir jung bleiben ohne reifer zu werden? Nein. Wir wollen jung sein und alt, Komplexität haben und Einfalt, sowohl Haltlosigkeit als auch Halt - herzenswarm und verstandeskalt. Denn der Frühling erwacht in uns Der Sommer ist unser rauschendes Blut Der Herbst, dichtend, sinnt in uns Der Winter ist unser werdender Mut. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DIE LANGE REISE ZUM ANFANG
Es ist eine lange Reise Die innere Stimme ist leise Aber ihr Widerhall ist laut Er kommt mit den Jahren in Lehren, die wir erfahren und geht uns unter die Haut Die Haut wird alt, ergraut Die leise Stimme wird laut Vom Leben bestätigt mit der Zeit Und am Ende der Reise ruhig geworden und weise bist Du endlich für den Anfang bereit. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
ALTE FREUNDE UND ALTE BÜCHER
Alte Freunde
und alte Bücher
werden mit dem Alter
interessanter.
Je mehr Du Dich selbst
erlebst und verstehst
desto mehr schätzt Du.
was Du sahst und siehst.
Ich lese alles zweimal
ob Menschen ob Bücher
Es wird mit der Zeit
alles verständlicher.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
FERNE BERGE
Dinge, die einst so weit entfernt zu sein schienen, fühlen sich heute plötzlich so nah - Die Fähigkeit, ungeliebten Menschen zu dienen, und denen, die ich früher übersah. Die Kraft, den Schmerz der Enttäuschung zu ertragen, Menschen zu vermissen wortlos, Ungerechtigkeit hinzunehmen ohne laut zu klagen, wenn es nichts verändern würde groß. Die Klarheit, um als groß verehrte Menschen zu durchschauen, und zu sehen, wie normal sie sind; Der Drang, langsam entwickelte Vorurteile abzubauen und zu schauen in Reinheit wie ein Kind. Diese einschüchternden Berge, die von oben mich anstarren, einst waren sie mir so fern: Jetzt heute in der Morgensonne fühle ich sie um mich scharren wie Freunde, ich umarm sie gern. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
REIFE UND VERÄNDERUNG
Ich frage mich, ob
sie noch zusammen sind
Die Fotos sind von vor zehn Jahren
von vor fünfzehn Jahren
Facebook hat sie alle aufbewahrt
sie waren jung und glücklich
verliebt
ihre strahlenden Augen sangen von Ewigkeit
Mit Veränderung sich verändern
Reifer werden
Ich frage mich, ob sie noch
zusammen sind –
Das ist das aller schwierigste:
zusammen bleiben.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ANREGUNG
Wenn kurz der Regen ist
durstet in Dir die Blume
nach der äußeren Blume
denn die äußere Blume
ist der inneren Regen
Dann starrst Du aus dem Fenster
auf Deinen Garten und ahnst nicht,
wie hinter einem unsichtbaren Fenster
ein Fremder steht und schaut
auf den Garten Deiner Seele
Menschenblume,
nicht den Regen brauchst Du
sondern eine geistige Anregung
zum Wachsen, zum Aufblühen –
doch wahr nimmst Du sie nicht.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
