Verständnis geboren aus Erkenntnis weil Deine Schmerzen nicht größer sind als die Ihren. Du warst nur bisher blind. Mitgefühl nicht immer nur kühl denn sie haben genau so häufig wie Du versucht, aufzustehen. Der selbe Schuh. Rücksicht mit oder ohne Nachsicht und obwohl Du denkst, Du machst es für sie gewinnst Du mehr. Das ist der Güte Magie. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Rücksicht
PLATZ FÜR UNS
Er auf seinem E-Rollstuhl Sie mit ihrem Rollator Sie wollte einsteigen Er wollte wenden und rausfahren Kein Platz für beides, für beide. Sie fangen an, zu streiten Sie findet eine Ecke, er Platz Der Fahrer legt die Rampe an Er fährt aus der Straßenbahn raus Sie setzt sich, in sich versunken Neben mir sitzt ebenfalls eine Alte Sie beobachtet alles wortlos, steigt mühsam an der nächsten Haltestelle aus Wir werden älter, die Welt jünger Wir werden langsamer, die Welt schneller Und wir werden ungeduldiger miteinander Anstatt geduldiger. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
WISSEN OHNE ZU WISSEN
All die Geheimnisse, die wir nie wissen werden… All die Geheimnisse, die wir nie verraten werden… Wissen ist Macht Unwissen ist mächtiger… Er läßt sie glücklich sein Sie läßt ihn glücklich sein Glück geteilt ist Glück verdoppelt. Ich kratze Deinen Rücken Du kratzt meinen Rücken Ich sehe Deinen Rücken Du siehst meinen Rücken Ich decke Deinen Rücken Du deckst meinen Rücken. Rücksicht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
LEICHT
Leichter als ein
und aus
atmen
Leichter als aus
rutschen und hin
fallen
Leichter als Augenlider
öffnen und schließen
Leichter als vergessen
und erinnern
Nichts ist leichter als die Gefühle
eines anderen unabsichtlich und
irreparabel zu verletzen.
Leichter als gedacht,
schwer gemacht.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DU SPÄTER ALS KIND WIEDER
Du später als Kind wieder
in einem zukünftigen, neuen, Leben…
Welche Erde würdest Du vorfinden,
von Dir selbst vorbereitet
von Dir selbst zugerichtet?
Du später als Kind wieder…
in welcher Welt würdest Du aufwachsen?
Schrott im Weltall
Müll im Weltmeer
Luft zum Schmutz verdichtet.
Du später als Kind wieder…
Empfänger der Wechselwirkung von Entscheidungen,
die Du heute als Erwachsener triffst –
In welcher Welt würdest Du leben wollen?
Zu der bist Du heute verpflichtet.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AM ENDE WAR DAS WORT
Es blutet als wäre ich gebissen worden
von meiner Zunge. Aber, … zu spät.
Die Worte sind schon Messer geworden.
Hilflos schaue ich zu, wie das Blut
scharf wird und außer Kontrolle gerät.
Ich lecke Wut. Es schmeckt nicht gut.
Zu schnell geantwortet.
Langsam, viel zu langsam verantwortet.
Am Ende war das Wort.
Das alles beendende Wort.
– Che Chidi Chukwumerije (28.01.2020)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
AUSSICHT
Bricht bald
Gewalt
Über uns ein?
Bald bricht
Unter uns
Verzicht
Auf Rücksicht
Vollends ein.
Danach –
Nach Ach und Krach –
Bricht Rücksicht
Umsicht
Einsicht ein
Und Zuversicht neu
Zum Licht.
Jetzt herrscht Vorsicht
Und Unsicherheit –
Alle sind verunsichert.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
TAUSCHEN
Wer sich selbst vergißt
Erinnert sich am Wahrsten an sich selbst
So wie er tatsächlich ist
Wer sich selbst ganz gibt
Empfängt die Wahrheit über sein Selbst –
Ob er sich dann vergibt?
Wer sich ganz zurück hält
Der gibt und empfängt das Gleiche selbst
Ob es ihm oder nicht gefällt
Und der, wer sich verstellt
Empfängt ein Zerrbild von seinem Selbst
Und von seiner und der ganzen Welt
Wir treffen uns
Wir trennen uns…
Ob wir uns je treffen?
Ob wir uns je trennen?
Auf Wiedersehen
Auf Nimmerwiedersehen
Denn wir werden nie wieder dasselbe sein
Was wir heute waren und heute allein.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
MUTTER UND SOHN
Im Worte Mutter liegt das Wörtchen Mut
Im Wort Versöhnung schwingt irgendwo der Begriff Sohn
Und heute habe ich den Mut gefasst
Und mich mit meiner Mutter versöhnt
Es hat Weh getan und es tat gut
Ich habe gelernt, Schmerzen auszusprechen
Statt schweigend mich abzuwenden
Ich habe gelernt, Vergebung zu geben
Und entgegen zu nehmen
Ich habe gelernt, daß sich zu entschuldigen
Nur die halbe Strecke ist –
Du musst Dich aber dann auch verändern
Ich habe gelernt, daß Rache
Ob bewußt oder unbewußt ausgeführt
Mehr schadet als sie richtet
Aber wenn wir Liebe in unseren Herzen tragen
Werden diese Schäden zu unseren Lehrern…
Und vieles kann man nicht verändern
Alles kann man nicht haben
Auf einiges muss man sich verzichten
Anderen zu liebe…
Und eine kleine Tat der Versöhnung
Kann in Einem etwas bewirken
Was seine ganze Welt verändert
Und ihn seinen Qualen entlässt…
Selbst wenn ich jetzt sterben würde
Sterbe ich mit Frieden in meinem Herzen.
– Che Chidi Chukwumerije.
