DER TIEFERE TROST

Ich kann es mir nicht leisten
stehen zu bleiben um meinen Schmerz zu verarbeiten
Auf mich wird gewartet
Ich repräsentiere

Ich kann es mir nicht leisten
Inne zu halten um meine Wunden zu versorgen
Auf mich wird gewartet
Ich repräsentiere

Ich kann es mir nicht leisten
unnötige Fehler zu machen
geschweige denn zu wiederholen
um daraus zu lernen
Ich habe dafür keine Zeit

Ich repräsentiere jemanden
den Du nicht siehst, obwohl er da ist
den Du nicht verstehst, obwohl er deutsch spricht
den Du nicht schätzt, obwohl er mehr ist
Und er wartet auf mich.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHWARZ SEHEN

Lass uns nebeneinander
Auf der Straße gehen
Und in den Blicken lesen
Was sie sehen

Lass uns nacheinander
Den selben Fehler begehen
Und aus den Reaktionen lernen
Was sie sehen

Lass uns unabhängig voneinander
Etwas sagen, was sie missverstehen
Und in ihren Interpretationen erahnen
Was sie sehen

Nun lass uns miteinander
Zu unserer Überzeugung stehen
Und in ihren Köpfen korrigieren 
Was sie sehen.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WIE STELLST DU DIR SCHWARZ VOR?

Kannst Du es Dir vorstellen
Daß ich es mir vorstellen kann
Das was Du Dir vorstellen kannst?

Kannst Du es Dir vorstellen
Daß ich es mir vorstellen kann
Das was Du Dir nicht vorstellen kannst?

Kannst Du es Dir vorstellen
Daß ich es mir nicht vorstellen kann
Daß Du es Dir vorstellen kannst
Daß ich es mir nicht vorstellen kann?

Wenn Du Dir das vorstellen kannst
Kannst Du Dir vorstellen
Daß ich mir nicht vorstellen kann
Daß Du es Dir vorstellen kannst.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SONDERBARE BILDER

Meine Bilder reichen mir nicht mehr
Andere müssen her
Aber woher?

Ich spüre Dinge, ich sehe sie nicht
Ich finde keine Worte, nenn mich Gedicht
Die Gesellschaft schreibt mich täglich nieder
Ich bin ihr Geheimnis fremd veröffentlicht
Sie findet sich und wundert sich in mir wieder.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHWARZE PRIVILEGIEN

Du kannst nicht Schwarz sein und
weiße Privilegien genießen

Du kannst es probieren aber
in der Tatsache, daß Du es probierst
hast Du es schon bewiesen.

Schwarz sein verpflichtet
im Weich- und im Hartsein

Du kannst nicht weiße Privilegien genießen
und Schwarz sein.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SICHTBAR

Ich bin so sichtbar
Alles, was Du siehst, ist
daß ich da bin. Mehr nicht.

Alles andere –
Meine 1001 Nächte
verblassen wie Monde im Licht.

Meine Haut lenkt
Deinen Blick auf mich und
lenkt Deinen Blick von mir ab.

Deine Augen ziehen mich aus.
Meine Unsichtbarkeit ist
das Sichtbarste, was ich hab.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ALLES AUSSER WEISS

Heute koche ich vor Trauma und Wut.
Menschheit mehr Macho als Mut?
Kein Mut zum Menschsein gemeiner als Blut.

Als Schwarzer muß ich immer wieder
erleben: Egal ob im Frieden
oder im Krieg sind wir eben immer „Die da.“
Ausgegrenzt oder vermieden.

Im Frieden feiner als im Krieg, oh ich weiß.
Da sind die Grenzen noch offen für Gespräch.
Im Krieg geschlossen für alles außer Weiß.
Das Blutgefäß ist (immer) wieder zeitgemäß.

Schwarze kämpfen immer zweierlei
Für uns ist der Weltkampf gegen Tyrannei
und der persönliche Überlebenskampf einerlei.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SCHWARZE FLAMME

Ich renne Dir hinter her
wie ein brennendes Rad –
Du rennst immer schneller
wie aus Angst vor dem brennenden Rad –
Ich kann nicht stoppen zu brennen
Du kannst nicht stoppen zu rennen
Und unser Paradox kann nicht stoppen
uns voneinander zu trennen –
Den Schwarzen Mensch und sein Uhuru,
das vor ihm zu fliehen scheint, wie sein Schatten.
Bleib stehen, Selbst, ruft sein innerer Guru:
Such Außen Nichts, was wir Innen stets hatten…
Denn je lauter Du mit der Welt schimpfst,
desto tauber wird die Welt…
Zünde lieber in Dir eine Flamme,
die die Welt erhellt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung