BLEIB EIN KIND

Bleib ein Kind
Mach in Deinem Garten Raum
für jede Blume, die auftaucht
Gib ihr eine Ecke für ihren Traum

Wenn sie aus ihrem Traum erwacht,
stark, klar, reif und erwachsen,
kannst Du sie woanders umpflanzen
zum gedeihen und weiter wachsen

Bleib ein Kind
Keine Trauer, kein Gedicht, keine Sehnsucht
ist zu unwichtig für Deine Liebesmühe
Erfülle alles mit Feenstaub und Sehnflucht

Es war einmal ein Kind
das lebte und spielte und liebte
und weinte, und liebte weiter und lachte
Und die Welt besiegte.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

DEHNSUCHT

Dehnen - mich dehnen - mich ausdehnen

Über die Grenzen der Straßen hinaus
Über die Fesseln unserer Lächeln hinaus
Über die Schranken aller Gedanken hinaus
Über die Sätze Eurer Gesetze hinaus
Über die Fügung unserer Lügen hinaus
Über die Glut des Blutes hinaus
Über die Enge meiner Ängste hinaus
Über das Drohen ihres Hohns hinaus

Ich will mehr. Dehnsucht.
Ich will mehr sein. Dehnsucht.
Ich will mehr bewusst sein. Dehnsucht.

Nach dort, wo Du bist
Die reinere Hälfte meines reiferen Selbst
Schmerzlich vermisst
Der Schmerz weitet mich von Selbst zu Selbst
Aus. Ich lasse es zu und gehe mit,
Denn die Dehnsucht in mir hält Schritt
Mit dem Schmerz, der mich innerlich frisst.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

WACHSEND HARREN

Wenn Du weißt, es ist
noch nicht so weit und Du warten
musst - und Du warten musst -
zwischen Hoffnung und Frust,
Herz voller Leben, voller Lust,
ein tausendseitiges endloses Erwarten
des Endes, des Anfangs. Zum Starten
reicht Deine große Sehnsucht nicht,
Deine tiefe Sehnflucht. Es sticht,
es sticht, die Sicht, die Sicht ist
noch getrübt. Du musst noch warten.
Und harren wachsend im Erwarten.
Die Charakterzüge, Blumen im Garten,
die Dir dabei erblühen, die harten
aber vor allem die geschützten zarten,
werden eines Tages zu Deinen Fahrkarten -
Auf sie tut Dein Schicksal geduldig warten.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

SEHNFLUCHT

Viele Stimmen sagen ein Ding.
Eine Stimme sagt viele Dinge.
Zwei Menschen teilen einen Ring.
Du fühlst viele Dinge, wenn ich singe:
Lust und Frust, Sehnsucht und Sehnflucht,
Anziehung, Ablehnung, Zu-, Widerspruch.
Du kennst dieses Wort noch nicht? Sehnflucht?
Aber Du kennst das Gefühl - wie ein Fluch -
Herzbruch aus lauter Angst vor Wortbruch.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung