Manchmal schleppst Du eine Wut jahrelang mit Dir herum in Deiner Brust - Du merkst es allein dadurch, daß Du immer leise sprichst, unbewusst. Die Wut, die Du gewaltsam unterdrückst, verwandelt sich in unstillbare Lust, die, weil sie trotz Ausleben unersättlich bleibt, sich wiederum verwandelt in wachsenden Frust. Und so begegnen wir uns täglich, im Zug, im Bus, bei der Arbeit, in der Freizeit, Millionen Ventilsucher, gebundene Gewitter, getrennt durch ein Gruß von Eintracht oder Streit. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SEHNSUCHT
FLUGHAUFEN
Flughaufen. Die Welt am Laufen. Die Ferne kann man kaufen, Nähe nicht. Ein Haufen Sehnsucht. In Schlaufen gebannte Flucht. Wir verkaufen Zuflucht, Zuhause nicht. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GEDANKL-ICH
Wenn meine Gedanken
wie Flugzeuge
mich mitnehmen konnten
auf ihrer Reise
Und anstatt der Gedanke
an mich käme
ich selber bei Dir an
auf erstaunlicher Weise
Und wenn sie wieder
verschwinden
Und lassen sich plötzlich
nicht mehr finden
Dann sind unsere
unterschwelligen Sehnsüchte
nach einander alles
was uns noch innig verbinden.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EXKLUSIVITÄT
Die Sehnsucht danach, die einzige zu sein. Die Sehnsucht, danach die einzige zu sein. Das Sehnen sucht, verunsichert. Das Suchen sehnt sich nach Sicherheit - doch die Sicherheit wurde durchlöchert durch das Bedürfnis nach Freiheit. Denn die Freiheit wurde angereichert durch den Drang zur Wahrhaftigkeit. Wie kannst Du haben, was Du nicht haben kannst? Egal wie häufig Ihr zusammen lacht und schweigt und tanzt. Und Du musst die Sehnsucht tragen mit ein bisschen Hoffnung und ein bisschen Angst. Die Sehnsucht danach, der einzige zu sein. Die Sehnsucht, danach der einzige zu sein. - Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SEHNSUCHT VERWALTEN
Sehnsucht verwalten unsichtbar
Lachen behalten im Herz unvernichtbar
Vom endgültigen Verzagen unantastbar
Und niemals altern
Verlust ertragen und wieder aufleben
Liebe ver-geben und erneut vergeben
Nach Unerklärlichem lebenslange streben
Und niemals altern
Jede Lebensphase genießen tief
Krabbelnd, träumend, aufrecht und schief –
Binden locker und binden intensiv
Und egal wie das Leben windend verlief…
Niemals altern.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DISTANZ ZUR NÄHE
Sicherheitsabstand
Sicherheitsanstand
Er blieb auf Distanz
Sie sehnte sich um so mehr
nach einem Tanz
mit ihm. Sie, Strand. Er, Meer.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
AUSDRUCK
Als ich tot war
und nichts spürte, außer Schmerz,
dachte ich, ich wusste, was Schmerz ist
Als ich, noch tot, anfing
mich nach dem Leben neu zu sehnen
lernte ich, daß der Schmerz des Todes nichts
im Vergleich zum Schmerz der Sehnsucht ist
Dann erwachte ich wieder zum Leben
und verstand, daß weder der Tod
noch die Sehnsucht mehr schmerzt,
als das Leben selbst. Es schmerzt so sehr,
es bringt Deine Freude zum Aus-Druck.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DER REISENDE HAT ZWEI HERZEN
Immer, wenn ich in die Welt hinaus gehe
gehe ich hinein in meine Gefühle für Euch
meine Engsten, die ich jedes Mal zurücklasse –
Wie kann man ein Teil von sich zurücklassen
das er immer bei sich in sich hat?
Immer, wenn ich nach Hause zurück kehre
kehre ich zu meiner Sehnsucht nach Euch zurück
die ich jedes Mal da draußen zurück lasse:
unerforschte Wege, rufende Landungsstege,
noch nicht getroffene Freunde im fernen Land.
Wie kann man ein Teil von sich zurücklassen,
das man stets in sich hört und spürt?
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ERWARTUNG
So lang im Warten gelebt
Es ist mehr als Warten
Es ist Wartung
Denn es ist eine Mischung
aus Schmerz und Wachstum
und Erwartung.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
TRIEB
Manchmal sitze ich still und zufrieden
und habe alles –
Und bin unzufrieden, denn ich habe alles
Manchmal sitze ich still und zufrieden
und habe alles –
Und bin unzufrieden, denn mir fehlt eines:
Jene tiefe Leere
Jene feine Unruhe
Jener schöne unzufriedene Trieb.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung