Der Wind stieg aus dem Meer empor lief durch den Wald erzählte dort wilde Geschichten über das Meer - Und ich sagte zum Wasser, Sei nie wieder stimmlos. Der Wind stürzte aus dem Wald heraus lief brausend durch die Stadt erzählte dort schräge Geschichten über den Wald - Und ich sagte zu Bäumen, Seid nie wieder stimmlos. Und ich schaute in den Spiegel und sah den Schmerz in meinem Gesicht und ich sagte zu mir sei nie wieder stimmlos! Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Selbstschutz
WORTSTEINE
Ich höre Euch rufen
Aber die Wortebrücke ist eingestürzt
Stimmbruch, kein Wortbruch
Ein Schweigen klarer als jedes Wörterbuch
Ich höre Euch rufen
Und dennoch höre ich Euch nicht
Worte sind Bausteine der Kommunikationslücke.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MEIN WERT
Als ich aufhörte, kostenlos zu sein, verloren die einen den Appetit nach mir - In den anderen erwachte der Heißhunger. Als ich anfing, Weh zu tun, flohen die einen; die anderen gaben sich hin: Mir, uns, und unserem gleichartigen Beißhunger. Als ich aufhörte, ohne Grenzen zu sein, blieben die einen draußen, die anderen drinnen schätzten befriedigt meinen Schweiß und Hunger. Es hat lange gedauert aber ich kenne meinen Wert; Ich weiß, wie viel ich weiß, kann, wage, schaffe mit unbändigem Fleiß und unersättlichem Hunger. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
ZUSAMMENZUG DER MENSCHLICHKEIT
Wie oft schon
In mahnendem Ton
Sprach ich zu meinen Kindern:
Vor Bus und Bahn
Und an Straßen entlang
Bleibet fern von den Rändern.
Vor unbeabsichtigtem
Schieben, Stolpern, Ausrutschen
Wollte ich sie schützen
Nie dächte ich
Daß absichtlich
Ein Mensch Unbekannten würd schubsen
Deines Bruders Hüter
Deiner Schwester Beschützer
Seid!, möcht ich ihnen nun zurufen.
Deines Nachbarn Wohlsein
Betrachte wie Deins
Und decke ihm seinen Rücken
Wir schließen die Lücke
Vor jeder Heimtücke
Wenn Menschen menschlich zusammenrücken
Neben dem Selbstschutz
Wandert der Nachbarschutz
Keiner kann sich selbst ganz schützen
Wenn Dunkel erwacht
Gewinnt Licht an Macht
Denn wir halten alle zusammen
Möge Gott der Mutter
Der getöteten Tochter
Beistehen – und wir auch. Amen.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
EIN WACHES EMPFINDEN
Ich habe Menschen gesehen
Die herb und streng aussehen
Und doch sind sie zart
Ich habe welche getroffen
Die interessiert wirken und betroffen
Und sich entpuppten als hart
Mode ist’s wieder geworden
Daß Kinder sich gut geborgen
Fühlen hinter einem Bart
Wir glauben oft zu kennen
Ohne richtig zu erkennen
Was sich um uns schart
Stacheln schützen oft eine Rose
Und manch eine Herzlose
War anders am Start
Doch manchmal zeigt die Figur
Auch einfach die wahre Natur –
Frag Deinen inneren Torwart
Ob überheblich oder einsam
Sie haben eines gemeinsam
Beide wirken apart
Man braucht ein waches Empfinden
Im Erleben, um herauszufinden
Seine wirkliche Gleichart.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Jahr der deutschen Dichtung.
