OHNE BERÜHRUNG

Ich küsste Dich
Es war nicht intim genug
Ich berührte Dich
Es war nicht intim genug
Ich durchdrang Dich
Es war nicht intim genug

Ferner denn je standen wir uns gegenüber
Wunderten uns darüber
Wieso ging es so schnell vorüber?

Bis kam die Möglichkeit, in Arbeit und Spiel
Zusammen zu streben nach höherem Ziel

Dann einigten wir uns im Wissen
Und Tun
Aus Dienen, Aufbau und Gewissen
Und nun
Siehe da:

Tiefer, intimer waren wir noch nie
Mit einander verbunden
Ohne Berührung habe ich so noch nie
Verschmelzung empfunden
Achtung, Ergänzung, Harmonie
Treffen sich am Innenort früherer Wunden.

Jetzt bist Du mir so nah.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

STÜRMISCH

Leidenschaftlich stürzt der Himmel sich
auf die dunklen Berge - plötzlich
ist es überall nass - und sie sind sehr laut.
Diese Sehnsucht hat sich lang gestaut.

Es blitzt wie ein helles Lachen
Es donnert wie das Erwachen
von etwas, das nur nachts in Bergen wohnt
und nur die Hemmungslosen belohnt.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

MORGENDLICHES GEWITTER

Der geladene Himmel, schwül und hitzig,
er hat es eilig heute Morgen -
Wer kennt denn das nicht?

Laut grunzend und stöhnend
stürzt er sich auf die Erde,
nimmt sie schnell und stürmisch in Besitz.

Morgens ist sie ehe schon feucht.
Das macht die Nacht mit ihr -
Sie ist bereit für des Himmels volles Gewicht.

Er leert sich in einem kurzen heftigen Guss -
Wetterpoetisch nennen wir das einen
regnerischen Morgen mit Donner und Blitz.

Jetzt fallen nur noch die letzten Tropfen,
die Hitze weicht einer weichen Brise,
während die Vogelwelt ins Singen ausbricht.

- Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

LIEBHABER

LIEBHABER

Der Fluss rennt wie eine verrückte Frau
mit Beinen überall links und rechts geworfen
Bis er unser Tal erreicht
Dann auf einmal fängt er an zu tanzen
wie ein verrückter Mann
mit Beinen überall links und rechts geworfen.
Du siehst ganz deutlich den Unterschied
zwischen den zwei
und doch ist es der selbe Fluss.

Wenn unser Tal sein Höhepunkt ist,
dann ist es doch sein Gipfel.
Du siehst ganz deutlich den Unterschied
zwischen den zwei
und doch ist es das selbe Gefühl.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

EMPFANG

Er.will.mich.ausweiden!
Dachte sie mit ausgeweiteten
Augen, Herz, Mund und Beinen…
Kurz, die Uhr blieb stehen –

Sie.will.mich.ertrinken!
Lachte er im schnellen Versinken
Der Sonne, im roten Ausklingen
Des Tages Geschehen…

Rege, der Himmel fiel runter
Die Erde empfing erregt
Den selbst-im-August Regen, und
Der Abend zitterte vor Aufregung.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

WELLEN

Das Geräusch der Wellen
Im Gespräch mit den Ufersteinen
Uralte Liebesgesellen
Flüsternd lachen und weinen
Erd-Wasser Intimrituellen
Meine in Deinen, Deine in meinen
Intellektuellen sozialen sexuellen Naturellen
Ich spüre Dich zwischen meinen Beinen…

Raunt Land zum Wasser
Und Wasser zum Land
Süßwasser und Salzwasser
Regelmäßig gedrückt gegen Felsenwand
Mit festem Herz und fester Hand.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung