DER ERSTE

Nächster Halt:
Der Nächste halt.
Nächster, halt!
Gib mir Wärme, mir ist kalt.

Aber er hält nicht, der nächste,
Denn er ist genauso wie der letzte.
Der, den ich wirklich finden muss
Schreitet in meinem eigenen Fuß.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

FLUGZEIG

Ich zeig Dir die Welt
Jenseits Deines Erlebnishorizonts
Wo Deine Gedanken nicht erreichen
Da fliege ich Dich hin und zeig es Dir

Menschen die ähnlich aussehen wie Du
und anders denken
Menschen die anders aussehen wie Du
und ähnlich sich verhalten
Nur ein Flug und ich zeig es Dir und mehr

Und wenn Du da bist, zeige ich Dir,
aus der Ferne, dort, wo Du her kommst
Und Du wirst sehen, Du hast es nie verlassen -
Auch das zeig ich Dir mit nur einem Flug:
Ich zeig Dir den Weg wieder zu Dir
und ich zeig Dir Dich.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

EXISTENZ

Ich habe Afrika in Afrika verloren
und in Europa wieder gefunden.
In mir.

Europa fand ich nie.
Wie eine Geschichte,
die immer weiter erzählt wird
doch niemals so existierte.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

ERINNERUNG

Sie hat gelernt
Gestern zu vergessen
Sie hat gelernt
Gestern kehrt immer wieder zurück
Sie hat gelernt
Wenn sie gestern vergißt
Begegnet sie ihm unvoreingenommen
Ohne Vorurteile oder Vorerwartungen
Mit frischem freiem frohem Geist
Als wäre er der Fremde, der er ist
Heute.
Immer anders, immer neu.

Und so, wie gestern sich täglich verändert
Verändert sie sich auch
Gestern war sie anders
Heute ist sie wieder anders
Morgen wird sie es auch sein –
Dennoch bleibt sie immer
Der selbe Mensch
Der sie gestern bereits war.
Sie kann sich vergessen
Wird sich aber trotzdem wiederholen –
Und jede Wiederholung
Ist ein erneutes Sich-Erinnern.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

WAHR SEIN

Die Welt zieht und zieht
Wie lange noch kann ich ihr widerstehen?
Die Echtheit, die ich gerne mied
Tue ich immerwiederkehrend immerwiedersehen
In allem, was in und mit mir geschieht.

Verlangen, wie lange noch
Werde ich mich zurückhalten und nachdenken?
Die Welt öffnete sich und ich roch
Die Vorfreude, denn die Freude selbst will nachschenken
Und ich will es trinken doch!

Menschen menscheln, mehr können wir nicht
Wer nie gemenschelt hat, merke Dir sein Gesicht
Wenn es Deinem ähnelt, hast Du Dein Gericht:
Mensch, Du schläfst oder Du lügst noch.

– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung