Wollen wir älter werden ohne jung gewesen zu sein? Wollen wir jung bleiben ohne reifer zu werden? Nein. Wir wollen jung sein und alt, Komplexität haben und Einfalt, sowohl Haltlosigkeit als auch Halt - herzenswarm und verstandeskalt. Denn der Frühling erwacht in uns Der Sommer ist unser rauschendes Blut Der Herbst, dichtend, sinnt in uns Der Winter ist unser werdender Mut. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
Sommer
EIN ENDE NAHT
Es ist jedes Jahr lustig zu beobachten wie tückisch der Sommer unter dem Anschein noch eine Weile da zu sein sich langsam zurück zieht der Tag täglich früher flieht die nachdenkliche Kühle beginnt sich zu melden, das Herz besinnt sich häufiger seine Sterblichkeit und ahnt seiner Unsterblichkeit. Noch ein bisschen Sommer und Spaß bald kommt Herbst, Reife und Gravitas zuerst bunt, dann nackt und blass. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
SOMMERNACHTERREGEN
Und dann hast Du uns erlöst, plötzlcher Regen in der Sommernacht - Pitipatapitipata, sanft, aufgelöst wie eine Stimme, die stöhnt und lacht. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DIE NATUR DES WUNDERS
Der Herbst fängt wieder langsam an, zu spüren, daß er anders ist, als alles, was er um sich sehen kann, denn das, was des Sommers ist, so schön es ist, ist nicht sein Haus, weil er, der Herbst besonders ist - er errötet dann und zieht sich aus, weil das die Natur des Wunders ist. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DER SOMMER GEHT ZU ENDE
Und es waren Blätter nein, es waren Freunde Was für ein Wetter Freundschaft hat ein Ende War es wirklich Freundschaft oder nur der Sommer? Freude, Spaß und Leidenschaft nur bis Ende September Blätter wie Farbreisende bald kommt Eure Zeit Der Sommer geht zu Ende mit schleichender Plötzlichkeit Blätter, pflanzliche, menschliche, lösen bald alte Verbindungen - Es kommt die Zeit für tiefere Gespräche und Empfindungen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
LIEBER HERBST
Lieber Herbst, Bist Du das hinter dem Vorhang Aus tiefem Grün? Irgendjemand Macht mit uns einen Scherz, Läßt unsre Augen Den Sommer noch blicken, lange Nach dem seine Schwanengesänge Ihrem Ende langsam neigen. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SAISONWENDE
Grün wie Hoffnung verwelkend Ein Sommer des Lichtes Jahrzehnte des Friedens Sozialgerechtigkeit in der Gesellschaft Feiern ihr Saisonende. Der Herbst ist vieles: Er ist bunt, Reif, er ist herb und kalt, schließlich zieht er sich und uns alle aus. Wer wenig hat, dem wird viel genommen. Wer alles hat, dem wird alles gegeben. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
MITTE AUGUST
Wenn Stimmen und Lärm die Leinwand sind, Auf die Du Dein Schweigen malen musst, Ist die Stadt eine unendliche Leinwand - Genug Brust breit genug für Deine Lust. So lang gerieben, Schweigen aber ist wund Durch Begehren der Stadt und ihre Frust; Denn das Schweigen geht gegen den Trend, Gleichzeitig ignorierend und benutzend bewusst Die Mischung aus geschwollenem Vollmond Und der brennenden Stadt mitten im August. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
SOMMERANFANG
Sommeranfang Freudenschaum Impulsandrang Blütentraum Farbengesang Erlebnisbaum Wonnenaufgang Hemmungen kaum. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
EIN LETZTES MAL
Wird die Welt ruhiger
oder ich?
Wird die Natur herber
oder ich?
Wird die Erde reifer
oder ich?
Dennoch rast ein Brand durch den Wald
Die roten Blätter innen heiß, außen kalt
Ein letztes Mal lachen, denn Winter kommt bald.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
