Eines Morgens wird unsere Sonne aufgehen und unser bisheriges Leben mit seinen Freuden und Sorgen wird wie tiefe Nacht aussehen. Wir werden versuchen, vergebens, uns an die Schritte zu erinnern, die wir und die Nacht gegenseitig in und durch einander machten - Aber nun sind sie wie in Träumern begraben, unbegreifbar hier jenseitig der Grenzen, die wir uns einst ausdachten bevor wir aufwachten. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Sonnenaufgang
FRÜH AUF DER AUTOBAHN
Bist du blauer, Himmel?
oder bist du es, Autobahn?
Ihr müsst Euch endlich küssen
wo keiner Euch sieht
nicht mal ihr Euch selbst
aber schnell
bald steigt die Morgensonne
und sie verrät all eure Gedanken
wie Bäume am Straßenrand
und enthüllt die Wolken in euren Augen
und die lauten Autos,
wie viel zu viele fremde Worte
in eurem Schweigen.
Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
GESTERN
Mit einem lauten Schrei
Sprang die Morgensonne auf die Welt
Kletterte schnell über die Berge
Flog hoch in die Luft
Lachte, lachte
Und sank wie ein Stein
Die Hitze atmete endlich im Dunkel auf
Und es war Morgen und es war Abend
Und der Tag war geschafft.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
DIE NACHBEWUNDERUNG
Ich wachte früh auf
Es war noch nicht die dritte Uhr
Und ich wartete auf den Moment
des Anbruchs der Morgendämmerung
um ihn heute zu fangen…
Ich blieb lange wach – und war wach
und beobachtete aufmerksam
mit Augen und Ohren und Nase
mit Haut und allem, was dahinter wohnt
– und bemerkte ihn nicht anfangen…
Nach einer Weile fiel mir auf
daß es schon seit einer Weile heller geworden war
und daß ich schon seit einer Weile
das leise Zwitschern ferner Vögel
unbewußt hab empfangen…
Der Tag, wie der erste Tag, kam zuerst
und erst danach mein Bewusstsein von ihm
Wie das Wunder vor seiner Bewunderung
kam zuerst das ewig sich wiederholende Ist
und ich bin ewig in dem Danach gefangen.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
MORGENLIEB
Wir lagen da
wie zwei schöne Gefühle im Magen
und weilten in tausend endlosen Tagen
an einem Morgen
heute Morgen
bis der Morgen sachte vorbei war
auf einmal es war
– Che Chidi Chukwumerije (09.02.2020)
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
VORHÄNGE
In Ihrem Universum
Wohnt die Sonne drinnen, nicht draußen
Sie braucht die Vorhänge nur aufzumachen
Ein Lächeln
Ein herzgefülltes Lachen
Ein Aufleuchten ihrer Augen
Sie braucht die Vorhänge nur aufzumachen
Einmal hinter jedem Vorhang
Verbarg sie je einen Hang
Nach Vorurteil, nach Selbstsucht
Und so weiter, und manch eine Sucht
Ihre Mimik, Lächeln, Gestik, Fratze
Gehören alle nur zu ihrer Gesichtsmaske
Dann kam eines Tages fröhlich
Ihren Weg entlang
Das Leben spazieren gehen
Und lächelte sie an
Kurz stockte sie, dann plötzlich
Öffnet sich jeder Vorhang
Und ich sah eine Sonne aufgehen
Und sie strahlte uns warm an.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
SONNENAUFGANG GESTREIFT
Es wurde plötzlich hell
Ich habe Dich nicht kommen gesehen
Meine Augen waren zu
Kaum hatte ich dich berührt, war’s geschehen
Du atmetest tief und kamst schnell
Der Sonnenaufgang und Du
Und Ruh’…
Wie ein Kanu auf einem Fluß
Schaukel’ ich weiter, denn ich muss
Mich auch endlich zum Schluß
Langsam bringen, noch ein Kuss
Dann wie ein Kanu auf einem Fluß
Fliess ich weiter, Genuss, Genuss
Wann kommt endlich der Gnadenschuss?
Langsam verschwinden ist der intimste Gruß
Wie ein Kanu auf einem Fluß…
Es hört sich besser an als es war
Manch Intimes rührt so sonderbar:
Wie kann etwas so körperlich erregend
Sein und ich so geistig abwesend?
– Che Chidi Chukwumerije.
