EIN ENDE NAHT

Es ist jedes Jahr lustig
zu beobachten wie tückisch
der Sommer unter dem Anschein
noch eine Weile da zu sein
sich langsam zurück zieht
der Tag täglich früher flieht
die nachdenkliche Kühle beginnt
sich zu melden, das Herz besinnt
sich häufiger seine Sterblichkeit
und ahnt seiner Unsterblichkeit.
Noch ein bisschen Sommer und Spaß
bald kommt Herbst, Reife und Gravitas
zuerst bunt, dann nackt und blass.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung

UNSTERBLICHKEIT

Die Welt passt problemlos
in jedes Herz rein
Ist aber selbst viel zu klein
für das Herz. Groß

Ist die Sehnsucht nach Ewigkeit.
Diese sterbliche Welt allein
birgt unmöglich so viel Lebendigkeit.

Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung

FLÜGE DES MORGENS

Es war einmal ein guter Morgen
Hell wie Glocken, denn Glocken
Sind glücklich wie ein Kind ohne Sorgen
Der Morgen war das lachende Kind
Der Schöpfung –

Staunend schaute der Morgen
Aus tausend träumenden Augen heraus
Auf Gedanken, die lange verborgen
Im Tal der Nacht sich nach Licht sehnten
Und der Morgen fühlte sich geborgen
Auf den Flügeln seiner eigenen Kindlichkeit –

Und während die Sonne,
Vater des Morgens, stieg und strenger wurde
Und in den Menschenaugen
Der Morgenglanz langsam ersetzt wurde
Durch Menschenblick, seufzte sanft
Und freundlich der träumende Morgen
Ein letztes langes leises Mal
Genoß den Augenblick…
Und ahnte das Ende seines Lebens.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

LANGSAM GEHT SCHNELL

Das, womit der Mensch stets
Am Wenigsten rechnet, das,
Was ihm aber stets widerfährt:
Daß seine Zeit einst um ist
Schneller als erwartet, und er
Keine Zeit mehr hat, das Wesentliche
Noch zu erfüllen, bis er scheidet.

Alles bleibt unvollendet
Gedanken, Sätze, Kapitel
Abgeschnitten, lose hängend
Kaum einer stirbt ohne
Sich nachdenklich zu fragen –
Und? Was war der Sinn des Ganzen? –
Ein kurzer Gedanke, dann Gute Nacht.

Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung

DIE WEITERREISE

Ist mit dem Tode alles aus?
Oder war der Körper doch nur ein sicheres Haus
Das, einst in sich zusammen gebrochen,
Der Bewohner rechnungtragend verlassen muss
Nach Jahrzehnten, Jahren, Monaten, Wochen…
Zum Weiterwandern alleine zu Fuss?

Wie viele Reisende pausieren gerade?
Kaum Einer schaut noch auf seiner Landkarte.

– Che Chidi Chukwumerije.