Die Welt ist nicht groß genug Der Geist, er trachtet nach Unendlichkeit Die Welt ist nicht alt genug Der Geist, er versteht nur die Ewigkeit Und fliegt und fliegt und reist und reist Erschöpft sich an der materiellen Schöpfung Doch die Welt ist nicht reichhaltig genug Und er findet nirgends seine Befriedigung Außer an diesem einen Orte Bühne des innersten innigsten Geschehens Tief in seinem eigenen Geiste Blüht der Bruchteil eines tiefen Ahnens Dort, wo er den Drang findet Zum Geben in wahrer Selbstlosigkeit Dort wo er die Verbindung empfindet Zur Erkenntnis Gottes unerreichbarer Heiligkeit. Che Chidi Chukwumerije Im Jahrzehnt der Deutschen Dichtung
Unendlichkeit
SCHÖPFEN
Durch Dich dämmert es mir
Was das ist – Weiblichkeit.
Ich schöpfe und schöpfe aus Dir
Wie aus einer Quelle zur Unendlichkeit.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
DER HIMMEL HÖRT NICHT AUF
Er saß neben mir im Auto
Ich fuhr
Ich nahm heute einen neuen, längeren, Weg
Durch den Wald…
Ist das mein Wald, rätselte er laut und nachdenklich?
Ich schmunzelte
Dann verschwand ohne Warnung der Wald
Und er schaute nach oben mit aufleuchtenden Augen
Es war ein wunderbarer hellblauer Morgen ohne Wolken
Er staunte
Dann sagte er voller Bewunderung:
Der Himmel hört nicht auf.
Gel, Papa? Der Himmel hört niemals auf.
Ich brachte ihn zum Kindergarten
Und beschloß
Ihm diese seine Worte in einem Gedicht zu verewigen
Für die Zeit, wenn er längst kein Kind mehr ist.
– Che Chidi Chukwumerije
Im Jahrzehnt der deutschen Dichtung
LÜCKENFÜLLER
Der Himmel ist nur dann blau
Wenn ich nach oben schaue
Normalerweise ist er grausam
Keine Anteilnahme
Was ist anspruchsvoller in der Zeit:
Die Endlichkeit oder die Unendlichkeit?
Unendliche Zeit ist schwierig
Jeder Tag ist eine Herausforderung
Kein Müßiggang
Jeden Tag überrascht uns irgendetwas
Das Unerwartete erwarten wir ja immer
Dennoch überrascht es uns – und eines Tages
Wir es der Tod sein.
Und eines Tages wird es der Tod sein.
Wiedergeburt. Neugeburt.
Brücke ist nur dann Brücke
Wenn ich mich überbrücken lasse
Beglücken lasse von der Kehrseite
Des unerwarteten Regenschauers
Sonst ist sie bloß eine Lücke
Dann bist Du der Lückenfüller
Und merkst es nicht, bis die Lücke wieder
Verschwunden ist und Du stürzt zu Boden
Augen nach unten gerichtet, anstatt nach oben.
– Che Chidi Chukwumerije
2019: Das Jahr der deutschen Dichtung
DES LEBENS GEDICHT
Alles, aber auch nur alles
Alles, was Du Dir nur vorstellen kannst –
Alles, aber wirklich alles
Alles, was Du weißt und denkst und ahnst
Und denkst, daß Du kannst,
Unscheinbares und Monumentales
Alles, was Dir je einfallen könnte,
In tausend Jahren noch einfallen wird,
Auf Deinen Wissensberg sich noch thrönte,
Mit neuen Erkenntnissen Dich krönte,
Alles, was Dir Weisheit beschert
Und Dich Neues immer wieder aufs Neue belehrt,
Alles, was Du Dir gönntest und mehr
Alles, was Du einst hattest und findest aber nimmermehr
Jede Grenze, jeder Gipfel, jeder Endpunkt
Jeder Traum, der schimmert und prunkt
Und näher rückt, ewig näher und näher,
Jede ewige Idee, die noch funkt,
Alles Streben und alles Erreichen
Und alles Ankommen und weiter hoffen –
Entrungenes aller ent-inkarnierten Leichen
Und deren Zeiten, einst; alle Möglichkeiten noch offen,
Alles kann und wird übertroffen.
Der Du heute bist
Wirst Du nimmer wieder werden
Auf dieser reisenden Erden –
Kurz ist die große Frist
Denn es gibt immer Höheres im Lebensgetriebe
Übertroffen wird alles, nur eines nicht
Und das ist die einfache wahre Liebe,
Des Lebens ewiges Gedicht.
– Che Chidi Chukwumerije.
ANTENNE
Nicht meine eigenen Gedanken
Sind meine, sie sind fremde…
Unendlich ist die Endlichkeit
Es gibt nichts unendlicheres –
Zum Glück bin ich noch froh, trotz
Dem vielen Schreiben; ich hafte mich nicht an
Ich laß los – – Sind doch nicht meine Gedanken
Die ich denke. Denn auch ich denke
Nichts mehr.
– che chidi chukwumerije.
